Praktisch wäre es, wenn die Linke mehr über die Zukunft wüsste!

Fotografiert im Nordwestdeutschen Museum für Industriekultur in DelmenhorstAuf den ersten Blick ist seit den 1960er und 70er Jahren, als ein Schub der Prognosen, der„Zukunftsforschung“ und der Planungs- und Steuerungskonzepte den Beginn des langen Endes des Fordismus begleitete, mit der nachfolgenden marktradikalen Zeit auch der Zugriff auf die Zukunft dem Markt und seinem homo oeconomicus übergeben worden. Ein genauerer Blick zeigt, dass das nicht zutrifft. Seit Anfang der 90er Jahre sind die strategischen Potentiale und Apparate der Zukunftsbearbeitung im Forschungssystem, den Konzernen und Staatsapparaten kontinuierlich und in der Bilanz massiv ausgebaut worden. Das betrifft besonders deutlich die klassische Technik- und Produktivkraftforschung, die unter der „foresight“-Etikette intensiviert und internationalisiert wurde. Die neue Prominenz der Umwelt- und Energiefragen, die ein Großteil der komplexen technischen Ressourcen an sich ziehen, ist gut zu erkennen – ein Blick auf die Website des BMBF genügt. Auch Mobilität, Ernährung, Gesundheit, Stadt sind profitable Themen. Andere große Themen sind weit weniger präsent – aber ihre Zukunftsrelevanz steht außer Frage.

Die „Großrisiken-“ und „Sicherheits- (Militär)“forschung und die Erfassung der globalen Power Shifts haben in der Elitenperspektive des Davoser World Economic Forum oder des US-National Intellligence Council (um nur zwei von zahllosen Beispielen zu nennen) rapide an Bedeutung gewonnen: die Risiken des Kapitalismus werden abgetastet und um Entwicklungspfade wird gekämpft. Das alte Modell der „Zukunftsforschung“ und Unternehmens- bzw. Staatsplanung ist verschwunden – nicht aber der strategische Kampf um die Zukunft. Die Spezialressourcen, die dafür eingesetzt werden, sind weitaus umfangreicher, elaborierter und professioneller als jene vor 50 Jahren. Man kann sich darüber streiten, ob eine (und wenn ja: welche) Rekonstruktion der lange gültigen und dann gebrochenen Zukunftssicherheiten der Linken heutzutage Sinn macht. Praktisch wäre es aber, wenn die Linke mehr über die Zukunft wissen würde. Daher soll in der 9. Villa Rossa Ende August bei Volterra darüber nachgedacht werden, wie über diese nachgedacht und geforscht wird und was über einige große, politisch relevante Entwicklungsprozesse und Veränderungen von wem gesagt wird – und wie interveniert werden kann. Infos zu Programm und Personen sowie Texte finden sich auf der Website der veranstaltenden Stiftung GegenStand.

 

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