Wahlen

Die zentralen Medien und die Bundesregierung heben die Bestätigung der großen Koalition (angesichts der Bildung einer solchen in Sachsen-Anhalt) und der Amtsinhaber “von links” (Rheinland-Pfalz) und “rechts” (Baden-Württemberg) hervor. Als erster Wahlgewinner kann aber klar die CDU gelten, deren Verluste in Rheinland-Pfalz trotz des miserablen Spitzenkandidatens begrenzt war; die SPD hat dort nur geringfügig hinzugewonnen, dramatisch dagegen der Einbruch der SPD in Baden-Württemberg, wogegen die CDU sich vergleichbar mit der SPD in Rheinland-Pfalz stabilisierte, ebenso in Sachsen-Anhalt. In Hessen hat die CDU die SPD weiter geschwächt. In der Konsequenz hat sich in der großen Koalition im Bund das politische Stärkegewicht weiter zur CDU verschoben und die SPD wurde weiter geschwächt, zumal die Landes-SPD in Sachsen-Anhalt, die nun in die Regierung eintreten wird, kaum noch als “Junior”partner gelten kann – sie ist nicht ganz so schwach wie die Regierungs-SPD in Sachsen. Aber fast.
Wie steht es mit der Linken? Die Zeit weiss:

Die PDS bleibt die PDS, eine Linkspartei gibt es nicht. Weder in Baden-Württemberg noch in Rheinland-Pfalz hat Oskar Lafontaine die WASG über die Fünf-Prozent-Hürde hieven können.

Nun denn! Der zweite Gewinner ist die Linkspartei. Sie hat durchgängig zugelegt. Im Osten hat sie sich als zweitstärkste Kraft weiter stabilisiert. Bei den Landtagswahlen im Westen hat sie ebenso wie bei den Kommunalwahlen Ergebnisse erreicht, die vergleichbar flächendeckend die Linke in Westdeutschland seit Jahrzehnten nie erreicht hat. Betrachtet man allerdings die absoluten Stimmenergebnisse, dann sieht das anders aus: sie hat gegenüber den Bundestagswahlen klar Stimmen verloren und in Hessen in vielen Orten auch gegenüber den letzten Gemeindewahlen.
Betrachtet man die Entwicklung der Linkspartei im Einzelnen zeigen sich folgende Merkmale:
Sie wird deutlich als Sozialstaats- und Sozialprotestpartei wahrgenommen, wie die Wahlmotivationen und die Sozialstruktur der WählerInnenschaft zeigen:
Infratest:

SPD- und Linke-Wähler motivierte dagegen vor allem die Gerechtigkeitsfrage (40 bzw. 53 Prozent) sowie die Arbeitsmarktpolitik (26 bzw. 38 Prozent). Jedoch waren beide Aspekte bei den Wählern der Linke.PDS deutlich stärker wahlentscheidend als bei denen der SPD. (…) Massiv zulegen konnten die Sozialdemokraten bei Menschen, die sich gerade in Ausbildung befinden (plus 17 Prozentpunkte). Leichte Verluste muss sie aber bei Arbeitern (minus fünf Punkte) und Arbeitslosen (minus zwei Punkte) hinnehmen. Die CDU gewinnt nur bei Beamten (plus fünf Punkte).
Eine Besonderheit in Baden-Württemberg war und ist die starke Affinität der Arbeiter zur CDU. Allerdings ist der CDU-Anteil in dieser Berufsgruppe etwas zurückgegangen und liegt jetzt unter 40 Prozent, jedoch immer noch um einige Punkte vor der SPD. WASG und Republikaner konnten bei den Arbeitern ihre besten Ergebnisse (über 6 Prozent) erzielen.

Die SPD verlor in BW vor allem im Angestellten- und Selbständigen-Bereich an die Grünen, Arbeitslose wählten in Sachsen-Anhalt zu 33 % Linke, zu 24 % CDU, 20 % SPD, 6 % FDP und 4 % Grüne. Die SPD in Baden-Württemberg verlor an Nichtwähler 175 000, verlor am dann am Meisten an “Andere” (d.h. vor allem WSAG), auch die Grünen verloren 22 000 an Andere. Unter den Abwanderern von der SPD überwogen die Motive “Soziale Gerechtigkeit” und “Arbeitsmarkt.” Auch in Rheinland-Pfalz verlor die SPD nur an zwei Gruppen: die Nichtwähler (-12000) und die WSAG (-8000); dort gewann die WSAG von “”Anderen” 15 000, aus Nichtwählern 11 000, SPD 9000, Grünen 4000 und FDP bzw. CDU je 1000. Nach Angaben der Forschungsgruppe Wahlen wählten in Sachsen-Anhalt 26 % der Arbeiter, nur 13 % der Angestellten und Beamten, aber 39 % der Arbeitslosen die Linkspartei. Wo hohe Arbeitslosigkeit herrschte bzw. der Anteil der Migrantinnen hoch war, schnitt die WSAG ebenfalls überdurchschnittlich gut ab (3,9 % bzw. 4,2%), leicht auch in Sachsen-Anhalt (24,7 %) die Grünen dagegen punkteten in Bevölkerungsgruppen mit hoher Kaufkraft. Auch in Rheinland-Pfalz wählten die Linkspartei überdurchschnittlich Gruppen mit niedriger Kaufkraft, höher Arbeitslosigkeit und MigrantInnen. 32 % der Gewerkschaftsmitglieder in Sachsen-Anhalt wählten die Linkspartei. 68 % der Befragten in Sachsen-Anhalt meinten, dass es in Deutschland “eher ungerecht” zugehe. “Soziale Gerechtigkeit, Familie und Bildung” waren die herausragenden Kompetenzzuschreibungen zur Linke.PDS in Sachsen-Anhalt.

Die Linkspartei / WASG gewann zweitens im wesentlichen in den größeren Städten. Etwa: Aalen 5,1, Freiburg II 6,9 (auf Kosten der SPD, wie auch der Grünengewinn in Freiburg), Heidelberg 4,3 (Zugewinn mit Grünen = Verlust der SPD von fast 11 %), Karlsruhe 3,9 bzw. 4,2 (auch hier mit Grünen = Verlust der SPD), Konstanz 4,1, Mannheim I 6,9 % und Mannheim II 4,8 %; Pforzheim 5,5 %, Schwetzingen 4,3 %; Stuttgart zwischen 3 und 4 %, starke Zugewinne der Grünen dort; Tübingen (nur) 3,8 % (Grüne +7,0 = 22,1 und überholten die SPD!). In Rheinland – Pfalz Kusel (7,1) und Donnersberg (5,6%), Kaiserslauten I (5,2%), ähnlich in Zweibrücken (4,6) und Pirmasens (5,7). Generell lag in Großstädten die WASG in Baden-Württemberg bei 4,6 %, dann absinkend mit fallender Einwohnerdichte; auch in Sachsen – Anhalt in Großstädten überdurchschnittlich (26,2 %). Auch die zum Teil herausragenden Kommunalwahlergebnisse in Hessen (z.B. Frankfurt 6,5 %, Offenbach 6,2 %, Marburg 8,7 %, Kassel 6,5%, Rüsselsheim 5,1 % Gießen 6%, Hanau 6%) zeigen diesen Trend – auch wenn die 20 %-Hürde z.B. auch vom Spitzenreiter Marburg in keinem Wahlbezirk genommen werden konnte. Immerhin wurde dort die CDU in vier Wahlbezirken locker übertroffen. Der Ausbau der kommunalen und städtischen Basis im Westen ist die Bedingung für die weitere Entwicklung der Linkspartei.

Drittens zeigen sich auch klare Schranken für die gegenwärtigen Entwicklung der Linkspartei. In Sachsen-Anhalt gewann sie zwar von der CDU 6000 Wähler, aber keine von der SPD und verlor 21 000 in den Nichtwählerbereich und 5000 an “Andere”. Unter Erstwählern schnitt sie unterdrurchschnittlich ab. In zahlreichen städtischen Schwerpunkten, wo sie bei der Bundestagswahl weit über 5 Prozent lag, ist sie nun in der Marge 3-4 % stehen geblieben. Dies hat weniger mit den Linkspartei-Querelen zu tun als damit, dass die Dynamik der Delegitimation der SPD, welche die Gründung der WASG mobilisierte, gegenwärtig dem ganzen nicht-sozialdemokratischen Spektrum auf die Beine hilft.

Der Niedergang der SPD in Baden-Württember stabilisierte die CDU und zum Teil auch die FDP, brachte den Grünen starke Zugewinne und nützte der WSAG – das Wählerpotential der SPD ist weiterhin zunehmend brüchig und die SPD hat kein Konzept, gegen die Verluste im untersten (WASG) und oberen Segment (Grüne) anzugehen. Angesichts des Erfolgs der Personenwahl in Rheinland-Pfalz wird die SPD dasselbe in Berlin versuchen – Wolf gegen Wowereit, da ist keine Frage, wo der Bonus bleibt. Ungeachtet dessen wird aber die Erosion des Wählerpotentials der SPD weitergehen – das ist das letzte weiterreichende Ergebnis dieser Wahlen.

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