Harvey: „If it looks like class struggle, feels like class struggle, then it is class struggle for God`s sake!“

David Harvey auf der Historical Materialism Tagung 2006 in LondonNach Zizek kurz Harvey. In der neuen Zeitschrift „Studies in Social Justice“ findet sich ein Interview mit David Harvey. Er äußert sich pragmatisch über die Rolle der linken akademischen Intellektuellen als „echo chamber“, inspiriert von sozialen Bewegungen, skizziert den Neokonservatismus als Konzept moralischer Autorität und Ordnungswünsche („like China“) und schildert, wie er angesichts des US-Angriffs auf den Irak sein Buch „The New Imperialism“ voller Wut in sechs Wochen schrieb. Das Interview gibt einige seltene Einblicke in biografische Motive eines der wenigen globalen linken Intellektuellen, dessen angenehm uneitler Gestus immer wieder auffällt. Auch der folgende Beitrag Harveys zu „Neoliberalism and the City“ (eine Vorlesung vom September 2006) ist lesenwert. Er skizziert den Fall New York: wie der neoliberale Umbau New Yorks seit 1973/5 mit dem Bankrott der Stadt stattfand (was einem Staatsbankrott Italiens oder Frankreichs entsprach): zeitgleich zu Chile und in weitaus größerem Maß und mit unvergleichlich größerer globaler Relevanz (!) als Avantgardeprojekt des Neoliberalismus, kontextgesteuert durch die Androhung von force gegenüber den Saudis um bei Strafe einer militärischen Invasion die Petrodollars in die Taschen der New Yorker Investmentbanker zu schaufeln, die anschließend mit der Finanzialisierung New Yorks und der Etablierung der Stadt als divided city (was NY seit den 1980ern blieb) und weltweitem Finanzzentrum begannen. „If it looks like class struggle, feels like class struggle, then it is class struggle for God`s sake!“

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Ein neuer Hochschulverband in Gründung…

Dieser Tage kursierte ein Aufruf zur Unterstützung eines neuen Studierendenverbandes, der dieses Wochenende gegründet werden soll. Es heisst dort:

Es ist Zeit für einen sozialistischen Hochschulverband!
Dieses Wochenende treffen sich in Frankfurt am Main Studierende, um einen sozialistischen Hochschulverband der Linken zu gründen. ir rufen auf, die Gründung dieses Hochschulverbandes zu unterstützen, und empfehlen die Mitgliedschaft in seinem Fördererkreis demokratischer Volks- und Hochschulbildung e. V.
Der derzeitige Umbau der Hochschulen ist ein wesentlicher Bestandteil der neoliberalen Politik: er gegenwärtige Kapitalismus richtet Lehre und Forschung an Hochschulen mittels Drittmittelforschung, Stiftungsuniversitäten und privaten Lehrstühlen, Bachelor- Studiengängen und der Einführung von Studiengebühren an den Interessen der Wirtschaft und der herrschenden Politik neu aus. Die Kommerzialisierung und Inwertsetzung von Bildung und Wissenschaft wird vorangetrieben. Die Spielräume wissenschaftlicher Autonomie werden dramatisch verengt. Während der direkte Einfluss der Wirtschaft auf die Hochschulen mittels neuer Steuerungsinstrumente institutionalisiert wird, bekommen Kooperationen mit Zivilgesellschaft, sozialen Bewegungen und Organisationen mehr denn je Seltenheitswert. Aufklärendes Denken und kritische Wissenschaften werden marginalisiert, marxistische Theorie wird ausgeschlossen.
Ein diskontinuierliches Aufbegehren gegen die Auswirkungen der neoliberalen Hochschulpolitik reicht nicht aus. Studentische Bewegung braucht Organisation und Orientierung, um die Errungenschaften vorangegangener Bildungsreformen zu verteidigen und fortschrittliche Ansätze der Demokratisierung und Öffnung der Hochschulen auszubauen.
Wir erhoffen uns von einem linken, sozialistischen Hochschulverband eine neue Unterstützung bei der Verankerung erneuerter kritischer Wissenschaft und marxistischer Theorie an den ochschulen – wie an vielen europäischen und amerikanischen Universitäten! Die neue Linke braucht einen starken Partner an den Hochschulen!

Unterschrieben haben u.a.

Elmar Altvater * Kurt Bader * Hermann Behrens * Heinz Bierbaum * Joachim Bischoff * Lothar Bisky * Dorothee Bohle * Michael Brie * Mario Candeias * Alex Demirovic * Hans-Ulrich Deppe * Frank Deppe * Thomas Doerfler * Angela Federlein * Edeltraut Felfe * Andreas Fisahn * Georg Fülberth * Wolfgang Gehrcke * Olaf Gerlach * Thomas Gies * Hans-Gert Gräbe * Volker Gransow * Thomas Händel * Michael Hartmann * Wolfgang Fritz Haug * Frigga Haug * Nele Hirsch * Jörg Huffschmid * Wolfgang Jantzen * Werner Jung * Christina Kaindl * Stefan Kalmring * Mario Kessler * Katja Kipping * Klaus Peter Kisker * Johanna Klages * Dieter Klein * Günter Krause * Ralf Krämer * Michael Krätke * Gregor Kritidis * Wolfgang Krumbein * Hans-Jürgen Krysmanski * Rick Kuhn * Oskar Lafontaine * Caren Lay * Herbert Lederer * Jürgen Leibiger * André Leisewitz * Stephan Lessenich * Gesine Lötsch * Johannes M. Becker * Birgit Mahnkopf * Morus Markard * Ulrich Maurer * Pascal Meiser * Helge Meves * Katrin Mohr * Wolf-Dieter Narr * Sabine Nuss * Norman Paech * Peter Raane * Lilo Rademacher * Brigitte Rauschenbach * Sabine Reiner * Christiane Reymann * Rainer Rilling * Bernd Roettger * Werner Ruf * Thomas Sablowski * David Salomon * Gerhard Schäfer * Jürgen Scheele * Stefan Schmalz * Ingo Schmidt * Horst Schmitthenner * Herbert Schui * Hans See * Sybille Stamm * Axel Troost * Björn Wagner * Michael Weingarten * Harald Werner * Hanns Wienold * Frieder-Otto Wolf *

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Über Intellektuelle [Der Bourdieu der Linken].

Jener, der Nein sagte.

Pierre Bourdieu. Photo: Bernard Lambert, Journal Forum, Université de Montréal, 1996Der Bourdieu der Linken war derjenige, der Nein sagte – „celui qui disait non“. Dieser Bourdieu steht für eine Politik der Zurückweisung, die zwei radikalen Projekten galt, für welche eine Margret Thatcher die apodiktischen Formulierungen gefunden hat: „There is no such thing as society“ und „There is no alternative“. Bourdieu widersprach dem als Soziologe, der die Möglichkeit einer kritischen, auf Gesellschaft zielenden Gegenstandsbestimmung seines Fachs sichern und ebenso die neoliberale Übermächtigung des Sozialen durch die Ökonomie zurückweisen wollte. Er sprach auch als politischer Intellektueller, der die Dimension der Reproduktion und Produktion der gesellschaftlichen Verhältnisse, also der Veränderung und Alternativität offenhalten wollte.

Soziologie ist ein Kampfsport, so formulierte er demgegenüber, zur Selbstverteidigung. Eine wissenschaftspolitisch sehr sinngebende Formulierung: Soziologie als Modus der Selbstverteidigung, schließlich geht es in der Soziologie und in Sachen Soziologie um Macht. Diese Formulierung ist vieldeutig. Soziologie ist ein Feld, in dem um Macht gekämpft wird (und es soll dabei eben fair zugehen). Die Soziologie selbst gilt es zu verteidigen gegen die neoliberale Inwertsetzung. Und Soziologie ist ein Medium des sozialen und politischen Kampfes – es soll hier eben nicht um die dekorative Ausschmückung der Varietäten des neoliberalen Kapitalismus gehen. Gehen wir kurz diesem Selbstverständnis weiter nach. „Über Intellektuelle [Der Bourdieu der Linken].“ weiterlesen

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Mapping the theoretical left

marx1.jpgSeit dem unvergesslichen „What Does the Ruling Class Do when it Rules?“ (1978) hat Göran Therborn über Modernität, Globalisierung, den Wohlfahrtsstaat oder Europa geschrieben. In der neuen Nummer (43 Januar/Februar 2007) der New Left Review publiziert er eben unter dem Titel After Dialectics (nur über Subskription, aber im Moment auch noch hier!) den Versuch eines Überblicks über „Radical Social Theory in a post-communist World“. Dazu entwickelt er eine Reihe von Richtungsdifferenzierungen innerhalb der Linken, legt vielleicht doch fehlgehendes übergroßes Gewicht auf die Relation Modernität:Postmodernität bei der Verortung der gegenwärtigen theoretisch-politischen Linken und konzentriert sich vor allem auf das akademische Feld im europäisch – angloamerikanischen Raum. Osteuropa, Rußland, Asien, großenteils auch Afrika und China sind ihm nicht sonderlich im Blick. Interessant seine Einschätzung vom großen Gewicht der nordamerikanischen theoretischen Linken, die mit den Beiträgen dieses Blogs zum US-amerikanischen akademischen Marxismus übereinstimmen. Therborn schreibt am Ende seines Beitrags: „Mapping the theoretical left“ weiterlesen

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Jutta Held ist gestorben

Jutta.jpgEine besonders angenehme, zurückhaltende und glaubwürdige Menschin“ formulierte eine Mail dieser Tage zu Jutta Held, die am 27. Januar gestorben ist. Ja wirklich. Ihre freundliche, bedachte Bestimmtheit und eine dem Gegenüber schon fast verstörend Raum gebende bescheidene Aufmerksamkeit passte ja auch gar nicht zu der Kultur der Organisationshektik und so extrem wichtigen Entscheidungsorientiertheit, die sie jahrelang in den 90ern über sich im Vorstand des BdWi ergehen liess. Damals lernte ich sie kennen und schleppte sie sogar 1996 mit ihrem Mann Norbert Schneider in unsere Herbstakademie nach Volterra, wo sie über „Kunst und Politik im 20. Jahrhundert“ referierte.
Sie hat sicher ganz wesentlich die Kunstgeschichte an der Universität in Osnabrück etabliert, dort sind auch einige Nachrufworte erschienen, auch in der FAZ und vor allem in SZ. Aus dem Online-Archiv der Osnabrücker Zeitung ist die Meldung schon wieder verschwunden. Vor allem aber: sie hat eine große Fülle von Publikationen erarbeitet, die in kleinen linken und großen rechten Verlagen erschienen. „Kunst und Sozialgeschichte“ war der Titel einer Festschrift 1995 für sie. „Picassos Koreabild und die avantgardistische Historienmalerei“ war das Thema ihrer Abschiedsvorlesung. Ihr letztes Buch, das sie zusammen mit ihrem Mann verfasst hat, trägt den Titel „Grundzüge der Kunstwissenschaft“ (Böhlau Verlag) und ist erst kurz vor ihrem Tode erschienen.
Ihr politisches Herz aber galt einer Kunst, die sich politisch zum Faschismus verhält und ihn bekämpft, kurzweg, immer. Und sie haßte Krieg, der Kapitalismus war ihr zuwider – was sie nicht daran hinderte, mit über die „Kunst der Banken. Gemeinsinn durch Privatisierung“ zu verhandeln und vor Jahren in der FAZ über die Inwertsetzung von Kunst einen gewitzten Beitrag zu schreiben.

Sie hat die Guernica-Gesellschaft ausschlaggebend mitgegründet, deren Tagungen und klugen Veröffentlichungen immer wieder vorangetrieben. In vielen Projekten der Wissenschaftslinken hat sie mitgearbeitet: dem BdWi oder dem HKWM oder im Beirat von „W&F“. Im „Forum Wissenschaft“ und in „W&F“ hat sie geschrieben und als Vertrauensdozentin der Rosa Luxemburg Stiftung vertrat sie dort ein Feld, mit dem die Stiftung erst langsam etwas anfangen kann. Greifen wir zu ihren Worten, wenn wir uns Zeit nehmen.

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Linksnet-Umfrage & Insight

Auf Linksnet, das sich mit mittlerweile gut 2500 Texten ganz gut herausgemacht hat, läuft nun bis Ende Januar 07 erstmals eine Umfrage. Es geht um für die Weiterentwicklung des Projekts wesentliche Fragen. „Funktioniert“ das Design? Welche Schritte in Richtung „Web 2.0.“ sollen gegangen werden? Sollen wir uns um englische Mitmacher / Texte bemühen? Macht ein Schritt über die bisherige Textorientierung hinaus in Richtung auf „linke“ Audio- und Videoangebote Sinn?
Dies alles sind arbeitsintensive Zukünfte, sie sollten in möglichst enger Zusammenarbeit mit den LeserInnen gemacht werden.

Natürlich krumpelt es an vielen Ecken: eine Reihe von Zeitschriften sind wenig engagiert – weshalb nun beschlossen wurde, dass nach einer Frist von 2 Jahren sie aus dem Projekt ausscheiden müssen. Die Kerngruppe der MacherInnen ist immer noch einstellig. Es sind noch bei weitem zu wenige ehrenamtliche Autoren dabei. Der Versuch, durch die kleine Bildergalerie das Erscheiungsbild zu verbessern und zugleich kritischen Bild- und Fotojournalismus zu unterstützen ist bislang nur in kleinsten Ansätzen gelungen. Der Terminkalender harrt einer breiteren Mitwirkung, Bemühungen um eine Etablierung einer auch medienpolitischen Rolle des zweifellos ziemlich einmaligen Zeitschriftenverbunds und um eine Motivierung innerer Kooperation zwischen den Zeitschriften sind bislang gescheitert.

Aber: in 2006 dürfte Linksnet erstmals mehr als 2 Millionen Besuche gehabt haben. Für ein linkes Projekt, das nur einige technische und redaktionelle Grundarbeiten finanzieren kann, eine erfreuliche Bilanz.

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Auf die Gefahr hin,

dass dieses Blog zu einer blossen Ankündigungs- und Verweiszone mutiert, rasch der Link zu der Konferenz in Sachen Austromarxismus, die vom 15.-17.12. in Wien stattfindet. Eigentlich habe ich hier aus den üblichen Gründen (Opportunismus, Pluralismus, Multimarxismen usw.) auf die historische Kategorie „Marxismus“ verzichtet, aber hier wärs mal recht angemessen. Zugleich dank Walter Baier der Einstieg von transform.at ins linke Tagungsbusiness!

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50 Jahre Blätter…

Ein erinnerungswertes Treffen organisierten die „Blätter für deutsche und internationale Politik“ gestern in Berlin; völlig überraschend zeigten sich einige Hundert LeserInnen und AutorInnen. Auch einige Herausgeber waren gekommen, die sich aber – wie aus eigener Anschauung bezeugt werden kann – sich vom viel zu knappen Buffett fernhielten. Bettina Gaus sprach über Öffentlichkeit, Carlo Bredthauer erinnerte sich diplomatisch, Micha Brumlik sprach weitschweifig aber bedacht über Hannah Arendt um die Blätter mehr aufs Globale zu verpflichten und Rudolf Hickel brachte am Ende sogar ein gut Maß politischen Zorns auf die Bühne. Dass die Blätter eine Community haben, die auch mal zusammenkommt, ist die größte Anerkennung, die eine Zeitschrift haben kann – vorausgesetzt, sie tut auch manchmal weh. Das haben die Blätter selten geschafft, aber manchmal gelang es ihnen, die charakteristische Körperbewegung der Mediengesellschaft – das Achselzucken – im Ansatz zu stoppen. Das von Gaus gelobte Internet haben die Blätter erst selten erblickt, aber nun haben sie eine digitale Großtat vollbracht: die DVD 50 Jahre Blätter liegt vor, und jede/r, der und die dieses hier liest, sollte sie sofort kaufen. Es gibt kein besseres politisches Geschichtsbuch für den Preis von 60 Euro.

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