Rainer In: Ingrid Lohmann, Rainer Rilling (Hg.): Die verkaufte Bildung. Kritik und Kontroversen zur Kommerzialisierung von Schule, Weiterbildung, Erziehung und Wissenschaft, Opladen 2001, S.303-313 home texte
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Virale Eigentumsmuster 1
Die Ökonomie des Erdrutsches: privat
Eric
Hobsbawn hat in seinem „Zeitalter der Extreme" für die
Zeit nach 1973 das Wort vom „Erdrutsch" gefunden: die Welt
taumelte in eine Folge von Krisenjahrzehnten, geprägt von Turbulenzen
der Instabilitäten, Kriege, Regimezusammenbrüchen und neuen
Machtkonstellationen. Mittlerweile gibt es viele Versuche, die globale
politische Ökonomie der Zeit des Erdrutsches und des politischen
Triumphes des Neoliberalismus zu erfassen. In hohem Maße selbstverständlich
und deshalb kaum analysiert ist die ungeheure Dynamisierung des
Privateigentums in dieser Zeit, die nach dem Zusammenbruch des
realsozialistischen Staatenverbundes dann auch mit der dramatischen
Raumausdehnung des Kapitalismus verknüpft war. Die Privatisierung
vormals öffentlichen oder gesellschaftlichen Eigentums, dessen Unveräußerlichkeit
kulturell lange außer Frage stand, entfaltet sich seit über drei
Jahrzehnten mit konzeptioneller Stärke, ungeahnter Dynamik und hoher
Durchsetzungskraft. Neuerdings werden auch überkommenes wie neues
Wissen, kulturelle Produkte, Daten, Kommunikationen usw. dem öffentlichen
Raum entzogen. Es scheint, als sei das Inventar des gemeinschaftlichen
Reichtums nur noch ein historisches Dokument, das nicht mehr
weitergeschrieben wird. Die Anschlussfähigkeit an Märkte, die in
dieser Zeit sich als Wirkungsvoraussetzung für vordem eigensinnige
Praxen in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen (ob
Politik, Wissenschaft, Bildung, Kultur oder Technik) zu etablieren
begann, bedeutete zugleich Anschlussfähigkeit an die privaten Formen
der Ökonomie und ihre kulturellen Arrangements. Wo es selbstverständlich
wurde, die Werte, Normen und Ziele vormals ökonomiefreier oder -ferner
Gesellschaftsbereiche mehr oder weniger unter den Vorbehalt ihrer Marktfähigkeit
zu stellen, da etablierte sich zugleich eine neue Normalität des
Privaten. Dieser
neue Siegeszug des Privateigentums hat viele Gesichter, Akteure, Orte,
Rechtfertigungen, Kulturen, Utopien. Im alten Binnenland des
Kapitalismus brach das Privateigentum in die traditionellen öffentlichen
Räume der klassischen Infrastrukturen (Energie, Wasser, Verkehr, auch
Bildung) ein und transformierte zugleich in bloß einer Handvoll Jahre
die zentrale New Economy der Erdrutschzeit - die aufkommenden
netzbasierten Industrien - in das wirtschafts- und industriepolitische
Schlüsselprojekt der neuen privaten Massenökonomie. Innerhalb weniger
als einem Jahrzehnt verankerte es sich tief in der Ökonomie des neuen
Internets und fasste so Fuß an den Schalt- und Schnittstellen, über
welche diese historisch bisher mächtigste Transaktionstechnologie
kontrolliert werden kann. Die privaten Kerne dieser neuen Technologie
der elektronischen allgemeinen Vermittlung der gesellschaftlichen
Funktionssysteme, deren innere Ratio auf die nicht endenwollende Verknüpfung
von allem aus ist, was digitalisierbar ist, haben sich mittlerweile
schon massiv gepanzert. Ihre Kapitalballungen sind umgeben von frisch
angepassten Rechtsregeln (Copyright, Urheberrecht, Warenzeichen, Patente
usw.), politischen Allianzen, Institutionen und verwertbaren
Alltagsgewohnheiten der Konsumenten („User") – in den Worten
des Chefs der Motion Picture Association of America: "If you can't
protect that which you own, then you don`t own anything." (Rilling,
2001). In den Zentren der immateriellen Produktion, vor allem der neuen
für die zukünftige Bildungsordnung ausschlaggebende Content- und
Wissensordnung sind das Privatkapital und seine kulturell abgesicherte
Maximen privater Verwertung mittlerweile gut platziert. Noch
im 18. Jahrhundert war die Vorstellung äußerst befremdlich gewesen,
dass es beispielsweise neben dem „greifbaren" Eigentum an Land,
Gebäuden, Tieren oder Juwelen ein juristisch analog ausgestaltetes
„immaterielles" Eigentum geben könnte, das sich auf exklusive
Nutzungs- (bzw. Verwertungs-) rechte an Bildern, Texten, Melodien oder
technischen Erfindungen bezieht (Geser, 1999). Im 19. Jahrhundert ist
das juristische Instrumentarium zur Absicherung des Warencharakters
ideeller Produkte (z.B. Patente, Urheberrecht, Warenzeichen) zur Reife
gebracht worden und im letzten Jahrhundert wurden dann mit seiner Hilfe
weite Sektoren der immateriellen Produktion kommodifiziert. Eine Reihe
klassischer Staatsaufgaben (z.B. Bildung, Grundlagenforschung, Verkehr)
blieben als öffentliche Güter der unmittelbaren privaten Verwertung
entzogen. In den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrzehnts jedoch ist
das gesamte Feld der Produktion, Zirkulation und Verteilung
immaterieller Güter (als deren Bestandteil hier auch das Bildungswesen
angesehen wird) einem neuen Kommodifizierungsschub unterworfen worden.
Dabei geht es auch um die Einschränkung der Möglichkeiten: ein öffentlich-rechtliches
Fernsehen, das sein Budget weitgehend für Fußballvertragungsrechte
einsetzen muß, hat keine Spielraum für Alternativen mehr.
2 Anfechtungen
Die
aktuelle offensichtliche Hegemonie des Privaten und des Privateigentums
ist jedoch keineswegs unumstritten und unangefochten. Wer die neue
Dynamik des Privaten im Raum der Bildung analysiert und kritisiert,
sollte die gegenstehenden und gegenläufigen Prozesse – also die
Entwicklungswidersprüche – nicht ignorieren. Zur politischen Ökonomie
des Erdrutsches gehört eben auch ein wildes Muster der
Ungleichzeitigkeit und neuen Konflikte, der Kämpfe um die
Revitalisierung alter Ideen des Öffentlichen, der Gemeinschaftlichkeit,
des Gemeineigentums und des Allgemeinen als Referenz ökonomischen
Handelns. Diese Realitäten und Optionen stehen in den Traditionen der res
publicae und res communes, der Allmende und des
Gemeineigentums, des Commonwealth, der Commons und Cooperatives
oder der public domain und der öffentlichen Treuhänderschaft.
In ihren radikalen Varianten zielen sie auf die res extra commercium,
also die Überwindung der Kommodifizierung und die soziale Konstruktion
einer Unveräußerlichkeit der Güter. Um welche Anfechtungen der
Hegemonie des Privaten geht es? 3 Die funktionelle Veränderung des Privaten
Wo
in der Gesellschaft und ihrer Ökonomie bislang öffentliche, aufs Allgemeine
zielende Funktionen privatisiert wurden, wirkt dies auf das, was
„privat“ ist, selbst zurück. Privateigentum, einmal etabliert, hört
dadurch nicht auf, sich selbst zu verändern – auch wenn die
Privateigentümer sich selbstverständlich als Ende der Geschichte (sie
meinen natürlich: als ihren unübertrefflichen Höhepunkt) darstellen
und das Privateigentumverhältnis als unveränderbar, also als ewig
deklarieren wollen. Eine private Neuorganisation der alten und neuen
gesellschaftlichen Infrastruktur - der allgemeinen Bedingungen der
Produktion - ist ohne eine Veränderung des Privaten nicht zu machen: so
wird seine Diskriminierungskraft (also die Kontrolle der Unterscheidung
zwischen privat / nicht-privat, der Grenzen des Privateigentums und
damit die Entscheidungsfähigkeit über Inklusion oder Exklusion)
relativiert und abgeschwächt. Das bedeutet nichts weniger, als dass
damit auch die traditionell aus dem Privateigentumsverhältnis begründeten
Ansprüche auf Nutzung und Verwertungssouveränität relativiert werden
(Leibinger, 2001). 4 Die Wirkung der Zeit auf die Eigentumsverhältnisse
Alter
hinterlässt Spuren an den Eigentumsverhältnissen. Einiges - etwa ein
Fossil, ein historisches Dokument, ein Platz wie Stonehenge, historische
Güter, Antiquitäten, manche Kunstwerke, historische Gebäude,
Landschaften - wird ungeachtet seiner formellen Eigentumsverfassung als
inhärent gemeinschaftliches Eigentum angesehen und kulturell
entsprechend definiert. Bestimmte Normen gelten hier: es ist zu als
Original zu erhalten und Zugänge dazu für die Allgemeinheit
oder auch mehr oder weniger uneingeschränkte Formen des
Gebrauchs und der Nutzung sind zu sichern. Die in der formellen
Eigentumsverfassung begründeten Verfügungsrechte werden insofern
eingeschränkt. Natürlich werden solche Normen ständig verletzt - so
hielt fast ein Jahrzehnt lang eine französische Familie einen Text aus
dem zehnten Jahrhundert unzugänglich, der zwei der berühmtesten
Wissenschaftstexte von Archimedes enthielt. Schließlich gehören
Kontrolle und Proprietarisierung der Zeit durch Privatisierung der
Dinge, die sie auf besondere und seltene
Weise repräsentieren, zu den ertragreichsten Modi Exklusivität
begründenden Eigentums. Dennoch wird jeder beliebige Eigentümer eines
Empire State Building oder eines Eiffelturms solche historischen
Artefakte weder abreißen noch substantiell verändern oder den Zugang
zu ihnen versperren können. Sie sind Bestandteile eines öffentlichen
Raums als sozialem und kulturellem Ort, der von seiner juristischen
Definition und ökonomischen Existenz unterschieden ist und als Medium
bzw. Gegenstand der Identitätsbildung der Gesellschaft existiert. Hier
geht es vor allem um gemeinsame kulturelle Güter als ästhetische
Exemplifizierungen einer immer schon allgemeinsozialen Lebensweise, um
Artefakte und ihre räumlichen Kontexte, die von jedermann angeeignet
werden können und die das Ergebnis der Pluralität der Menschen sind
(Arendt). Vor allem die Möglichkeit zur Herstellung von
Unzugänglichkeit und damit die Grenzkontrolle als
zentrale assets der Privateigentumsbeziehung werden hier
untergraben, eingeschränkt oder sogar aufgehoben. Diese ständige
Irritation des Privaten baut sich auf in der Zeit als zwingendes
Ergebnis des geschichtlichen Handelns der Menschen und ihres
Bewusstseins davon. 5 Das Staatseigentum als Nothelfer
Der
Vorrat an staatlich arrangierten gesellschaftlichen, ökonomischen
und natürlichen Ressourcen ist immer noch groß und vielfältig. Dass
es außerordentlich schwierig ist, seinen Umfang und ökonomischen Wert
exakt zu bestimmen zeigt im Grundsatz, dass er in der gesellschaftlichen
Rechnungsführung des Kapitalismus ein externer Faktor ist, der in der
Regel nur dann kalkuliert wird, wenn es um seine Privatisierung geht.
Hier geht es immer wieder um die Bereitstellung von öffentlichen Grundgütern
des gesellschaftlichen Bedarfs wie Nahrung, Wohnen, Mobilität,
Gesundheit, Energie, Kommunikation, Bildung, Erholung, Sicherheit etc.
Ihre durchgängige Überführung in Privateigentumsverhältnisse und darüber
arrangierte Regulierungsformen ist zwar durchaus prinzipiell möglich,
da es keine logische Schranke der Privatisierung gibt.
Konkret-historisch stößt ein solcher Umbau jedoch immer wieder auf
soziale und politisch-kulturelle, aber auch ökonomische Schranken.
Weiterhin sind große gesellschaftliche Gruppen auf die Bereitstellung
dieser öffentlichen Güter angewiesen und versuchen, gemeinschaftlich
ihre Positionen der Benachteiligung und Unterlegenheit auszugleichen und
zu überwinden. 6 Die globalen öffentliche Güter
Die
neue Entdeckung der Ökologie in den 70er Jahren erneuerte im Konzept
der globalen Gemeinschaftsgüter die Theorie der öffentlichen
Güter (public goods) und zugleich die Idee der common pool
resources (CPR) bzw. der Analyse damit verbundener Eigentumsregimes
wie beispielsweise dem Gemeineigentum (common property). Die
systematische Formulierung der Theorie der öffentlichen Güter begann
1954 mit Samuelson und wurde in den 60er und 70er Jahren etwa von Mancur
Olsen (1965) einflussreich fortgesetzt. Das Konzept der öffentlichen Güter
wurde dann insbesondere in den 90er Jahren auf die globalen Probleme übertragen
(global public goods). Hier geht es um global relevante Güter
(eingeschlossen sind hierbei auch Werte wie Frieden oder Gerechtigkeit),
die der Markt nicht bereitstellen kann. Zu solchen Gütern (oder öfters:
zu den globalen Commons) gehören
vor allem Ressourcen des gemeinsamen Menschheitserbes („common
heritage of mankind") wie die Hoch- und Tiefsee, der Weltraum, die
Atmosphäre, Teile der Antarktis oder der Regenwälder, die allen
Nationen nützlich sind, niemandem besonderen gehören und deren Nutzung
(was freilich eben auch heißt: gemeinsame Verwertung und Ausbeutung)
nach der zugrundeliegenden normativen Vorstellung innerhalb einer
Nutzergruppe (z.B. Staaten) zu teilen sei (Clancy, 1999; Kaul u.a.,
1999). 7 Die New Commons
Eine
zweite Traditionslinie (die nicht mit der klassischen Gemeinwohldebatte
oder der Frage nach der „guten Gesellschaft“ zu verwechseln ist)
entstand mit den Beiträgen von Gordon (1954) und Scott (1955), die eine
erste ökonomische Diskussion um die Common Pool Resources (CPR) in Gang
setzten, wobei es im wesentlichen um natürliche Ressourcen und ihre
Nutzung ging (Landwirtschaft, Wälder, Fischgründe, Wasser, Tierwelt,
Weideländer). Sie setzte sich im neu entstehenden ökologischen Diskurs
in den späten 60er Jahren vor allem mit Garrett Hardin`s
einflussreichem Aufsatz „The Tragedy of the Commons" (1968) und
seiner Kritik fort; Autoren wie Ostrom, welche die Frage nach der Rolle
gemeinschaftlicher bzw. geteilter Naturressourcen in der Folgezeit
vertieften (Ostrom, 1990), verknüpften unterschiedliche disziplinäre
Ansätze und standen bereits für die starke Anwendung dieses Konzepts
auf die Entwicklungsländer. Mittlerweile sind Tausende theoretische und
experimenteller Analysen bzw. Fallstudien zum Thema CPR vor allem im
englischsprachigen Raum und in Entwicklungsländern erschienen (vgl.
Hess, 2000, S.6). In den neunziger Jahren ging es dann nicht mehr nur um
Naturgüter oder Landrechte - plötzlich wurden städtische Räume oder
Straßen, Volksmusik, Müll, Car-Sharing, das Internet, Autobahnen,
Staatshaushalte, Radio, ehemalige Militärbasen, der menschliche Genpool
oder Sport unter der Überschrift der New Commons
verhandelt. „Reinventing des Commons“ war das Thema der 5. Tagung
der International Association for the Study of Common Property (IASCP)
in Norwegen. Sie
debattierte, “wie und warum Einrichtungen, die Gemeineigentum sind,
Ressourcen auf eine gerechte und nachhaltige Weise verwalten können”
(Berge 1995). Zugangskontrolle, Regulierung der Aneignung bzw. Nutzung
und Betreuung der Anlagen und Ressourcen des Gemeineigentums sowie die
Entstehung und Verteilung der Macht zur Rede, Entscheidung, Kooperation
oder Konfliktarrangement sind hier die Schlüsselfragen - gleichgültig,
ob aus ihrem Gebrauch Einkommen (z.B. Fischerei) entsteht oder es um
unmittelbare Dienstleistungen geht (z.B. Straßen, Netze, Entsorgung).
Hier wird vor allem auch darauf reagiert, dass sich im Produktions- und
Verteilfeld der zentralen Arbeitstechnologie der New Economy (der Software)
eine neue Dynamik nicht privatförmiger Eigentumsenklaven entwickelte,
deren Kultur den Maximen des Privaten - Recht auf Verfügungs-,
Nutzungs- und Zugangskontrolle und damit Schließung (Exklusion) statt
Offenheit und Zugang (Access), also der Praxis der Konstruktion und
Sicherung von Knappheit und Seltenheit - ebenso dezidiert wie explizit
nicht folgt. Auf exklusive Bearbeitungs-, Kopier- und
Distributionsrechte (die den Kern der Urheberrechts-, Copyright- oder
Patentregelungen bilden) wird dabei verzichtet, weshalb die Kontrahenten
dieser Bewegung die rechtliche Absicherung dieses Verzichts auf
privateigentümliche Regelungen - die General Public Licence (GPL) -
durchaus zu Recht als „intellectual-property destroyer“
charakterisierten (James Allchin, bei Microsoft verantwortlich für
Betriebssysteme, 2001). Ins Blickfeld gerät das Internet als zentrales digital
commons. Die Frage nach der Möglichkeit einer gerechten und
nachhaltigen Regelung gemeinsamer Angelegenheiten unter den Bedingungen
gemeinschaftlichen Eigentums akzeptiert also die verbreitete Annahme
nicht, wonach durch dieses Medium weder gerechte Aneignung noch
nachhaltige Ressourcensicherung gewährleistet werden könnten. Sie
steht auch für den Versuch, Hardins einflussreiche pessimistische
Voraussage einer Tragedy of the Commons zu kritisieren. Hardins
These war, dass frei zugängliche und verfügbare Ressourcen – zum
Beispiel Weideland oder Fischressourcen - dazu tendieren, mit der Zeit
zu verfallen: „The tragedy of the commons develops in this way. Picture
a pasture open to all. It is to be expected that each herdsman will try
to keep as many cattle as possible on the commons.... As a rational
being, each herdsman seeks to maximize his gain. Explicitly or
implicitly, more or less consciously, he asks, "What is the utility
to me of adding one more animal to my herd?" This utility has one
negative and one positive component. 1) The positive component is a
function of the increment of one animal. Since the herdsman receives all
the proceeds from the sale of the additional animal, the positive
utility is nearly +1. 2) The negative component is a function of the
additional overgrazing created by one more animal. Since, however, the
effects of overgrazing are shared by all the herdsmen, the negative
utility for any particular decision-making herdsman is only a fraction
of -1. Adding together the component partial utilities, the rational
herdsman concludes that the only sensible course for him to pursue is to
add another animal to his herd. And another; and another.... But this is
the conclusion reached by each and every rational herdsman sharing a
commons. Therein is the tragedy. Each man is locked into a system that
compels him to increase his herd without limit - in a world that is
limited. Ruin is the destination to which all men rush, each pursuing
his own interest in a society that believes in the freedom of the
commons. Freedom in a commons brings ruin to all.“ Nach
Hardin bleibt also der Zugewinn durch individuelle Nutzungsausweitung
– will sagen: durch maximale Ausbeutung - beim Einzelnen, die Kosten
der wachsenden Nutzung aber werden allen auferlegt. Es gebe also unter
den Bedingungen einer allgemein zugänglichen und nutzbaren Ressource
(was keineswegs gemeinsames Eigentum an dieser Ressource bedingt!) einen
Anreiz für individuelle Überausbeutung dieser Ressource. Als Lösungen
des Dilemmas werden angesehen die Regulierung durch eine Disziplin der
Selbstbeschränkung oder die Ermöglichung von Ausschluss durch Bildung
von Privateigentum. Hardin entwickelte hier übrigens ein paralleles
Argument zu der klassischen These, dass es eine Tendenz zur
strukturellen Unterversorgung mit öffentlichen Gütern gebe, da es für
Einzelakteure meist die beste und rationalste Strategie bedeute, andere
diese Güter bereitstellen zu lassen und sie dann kostenlos zu genießen.
Solche Güter haben die doppelte Eigenschaft der Nichtausschließbarkeit
und Nichtrivalität im Konsum. Nichtausschließbarkeit meint, dass Güter
wie zum Beispiel ein Feuerwerk oder Straßenbeleuchtung, Parks oder
Leuchttürme - sind sie erst einmal vorhanden, nur mit hohem Aufwand
oder überhaupt nicht der Allgemeinheit vorenthalten werden können. Es
sind in der Regel open-access-regimes. Das bedeutet, dass die Nutzung
eines Gutes nicht über Geld geregelt werden kann, weil eine bezahlte
Nutzung entweder extrem teuer oder technisch unmöglich ist.
Nichtrivalität meint, dass der Konsum eines Nutzers den Konsum anderer
Nutzer nicht tangiert und der Nutzen des Gutes nicht von der Zahl der
Nutzer abhängt. Daher gibt es kein Motiv, ein solches Gut auf den Markt
zu bringen, weil alle anderen dieses Gut ohne Zahlung eines Entgelts
nutzen können - also Trittbrettfahrer sind. Daraus resultiert
tendenziell Unterversorgung. Bei
Hardin ist das soziale Handeln nur das Resultat eines binären
Kosten-Nutzen-Kalküls individueller Akteure, andere Handlungsmotive
werden ebenso ignoriert wie die wirkliche Vielfalt historischer
Prozesse, welche hier auf eine einlinig zweckrationale Dimension
reduziert wird, wonach Gesellschaft nur als Summe kalkulierter
Individualhandlungen angesehen werden kann. Die Ressourcen von Hardins
Modellwelt sind begrenzt („a world that is limited“) – und aus der
Endlichkeit oder Knappheit der physischen Ressourcen (Güter)
ergibt sich, dass der Verbrauch des einen die Nutzung des anderen
begrenzt. Dieser Sachverhalt nun gilt für den Bereich der ideellen
Produktion und Güter nicht, denn sie werden auch bei mehrfacher Nutzung
nicht verbraucht, es gibt keinen erschöpflichen Nutzensvorrat (David,
2000; Vaver, 1999). Im Falle des Internets etwa, das auch als ein
faktisch unbegrenztes Kopiersystem begriffen werden kann, gibt es
keinerlei Verknappung der vorhandenen Informationsmenge durch deren
Konsumption, aus einem Informationspool entnommene Informationen werden
geteilt und müssen nicht ersetzt werden, der vorhandene
Informationsvorrat wird dadurch nicht vermindert. Im Gegenteil: der Wert
einer Netzwerkverbindung hängt von der Anzahl der bereits vernetzten
Teilnehmer ab. Dann ist es nicht mehr die Knappheit, sondern die
Verbreitung und damit der Überfluss, welche den Wert eines Gutes
bestimmen. Das gemeinsame Teilen von Wissen erzeugt mehr Wissen
(Multiplikatoreffekt) - die comedy of the commons (Carol Rose).
Es gibt also insofern keine Tragödie der digitalen Gemeingüter, denn
die Intensität der Nutzung („Übernutzung“) und das
Maß der Verbreitung sind hier belanglos. Knappheit muss – wie
im Falle der immateriellen Produktion insgesamt – demnach artifiziell
hergestellt und ständig neu durch juristische Formen (Patente,
Copyright, Warenzeichen, Kopierverbote) oder Geheimhaltung gesichert
werden. Da die Grenzkosten der Reproduktion immaterieller Güter extrem
gering sind und nicht steigen, sinken die Durchschnittskosten der
Produktion mit wachsender Verbreitung rapide, so dass eine erfolgreiche
Proprietarisierung hohen Gewinn verspricht. Die Sicherung durch Recht
und somit durch staatlichen, außerökonomischen Zwang ist deshalb von
ganz entscheidender Bedeutung für die strategische Einbindung auch der New
Commons in die New Commodification. Dies erfordert übrigens
eine präzise Identifikation jeder Person, die gegen die Garantien der
Knappheit verstößt – hier ist der innere Zusammenhang zwischen der
Kommerzialisierung des Internets und der aktuellen Politik der
Identifizierung und Authentifizierung der Netznutzer durch digitale
Signatur, Überwachungssysteme wie Echelon, oder weitgehende
Protokollierungspflichten der Provider (Barbrook 2000). 8 Enclosing Microsoft!
Nicht umsonst also der scharfe Kommentar des Vizepräsidenten
der Firma Microsoft Craig Mundie zur General Public Licencse (GPL), die
eine private Proprietarisierung so lizensierter Software verhindert:
"This viral aspect of the G.P.L. poses a threat to the intellectual
property of any organization making use of it"(NYT 3.05.2001). Die
hier ungewöhnlich aggressiv angegangene rechtliche Absicherung der
freien Software ist nur ein Aspekt einer alternativen Eigentumspolitik.
Mundie sieht zu Recht eine Strategie, die „community, standards,
business model, investment and licensing model“ umfasse (ebd.).
Mittlerweile ist der Konflikt um freie Software bzw. open source in das
eigentums-, industrie- und rechtspolitische Zentrum der New Economy
eingerückt. Die Auseinandersetzung findet dabei auf den
unterschiedlichsten Ebenen statt und ihre Schauplätze lassen sich über
den Globus verstreut ausmachen. In den 90er Jahren dominierte noch fast
uneingeschränkt ein Diskurs einer Einhegungsbewegung (enclosure
movement), welche sukzessiv vorgängig offene Daten- und Informationsräume
in private Nutzungs-, Verfügungs- und Aneigungszusammenhänge
transferieren und eine sehr einfache Erwartung in den Köpfen verankern
wollte: dass Informationen oder generell die Resultate geistiger Arbeit
jemandem gehören und sie durch einen Eigentümer kontrolliert werden,
der das Recht hat, alle andere von ihrem Gebrauch auszuschließen (ausführlich
Benkler 1999, 2001, 2002; Bollier, 2001). Die Dominanz dieses Diskurses
und auch – wenigstens in ersten Ansätzen – der damit verknüpften
Politik – ist mittlerweile deutlich geschwächt. Offenbar wird beim
weltweit mächtigsten Akteur auf dem Feld des private intellectual
property über seine potentielle Einhegung nachgedacht. Dieser
Vorgang ist deshalb so bemerkenswert, weil keine der neuen Großtechniken
des 20. Jahrhunderts in relevanter Weise unter eigentumspolitischer
Perspektive das Problem einer alternativen Vergesellschaftungsform
aufgeworfen hatte. Dies hat sich nun dramatisch geändert. Es gibt kein
unumstrittenes eigentumspolitisches Paradigma der New Economy mehr und
die Konflikte, die sich hier entwickeln, beziehen sich in ersten Ansätzen
auch unmittelbar auf andere Auseinandersetzungen, die ebenfalls
eigentumspolitische Dimensionen haben. Genau
dieser Zusammenhang macht das Konzept der „Commons“ theoriepolitisch
spannend: seine begriffspolitische Reichweite macht es zum ersten
Kandidaten für die Entwicklung alternativer Positionen zu dem
hegemonialen und vielfältigen Diskurs des Privateigentums ist. Commons
meint Öffentlichkeit (die auf dem Diskurs von Privateigentümern
aufbauen kann); es meint öffentlicher Raum (Public Space), den zu
unterschiedlichen Zwecken zu betreten und zu nutzen jede/r das gleich
Recht hat; es meint Public Domain (als handlungs- und damit nutzungsoffenen Raum, der nicht durch juristische
Formen wie dem Copyright geschützt ist – in der Rechtssprechung
freilich in der Regel nur als unbestimmte Residualkategorie behandelt
wird); es meint öffentliche Güter, Gemeinschaftsressourcen,
Netzwerkgüter oder Geschenkökonomien; es meint gemeinsame
Governance, Nutzung oder Aneignung auf der Basis von Gemeineigentum und
anderen Eigentumsformen; es meint endlich eine Kultur und Ökonomie des
communi-care, des "Gemeinsam machens", "Teilens",
"Mit-teilens". Sie
steht für vielfältige Facetten einer anderen Ökonomie und Kultur als
die neue Privatökonomie der neoliberalen Zeit des Erdrutsches. Welchen Raum sie gewinnen kann durch eine flexible und lernfähige Verknüpfung des Spektrums alternativer Eigentumspolitiken, wird über die zukünftige Bildungsverfassung entscheiden. Literatur
Sämtliche
Netzquellen wurden am 8.7.2001 überprüft. Allchin, J. nach:
The Economist 12.04.01 Dr.
Rainer Rilling ist Privatdozent für Soziologie an der Universität
Marburg und wissenschaftlicher Referent in der Projektgruppe
Wissenschaft und Politik der Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin. Web: www.rainer-rilling.de;
Mail: rilling@roasaluxemburgstiftung.de |