Der Anstieg der Ausgaben für Rüstungsforschung ist
beängstigend. Seit Mitte der siebziger Jahre steigt der Anteil der militärischen
Forschung und Entwicklung (FuE) an den Forschungsbudgets der gut zwei Dutzend entwickelten
westlichen Industriestaaten drastisch und unaufhörlich an. 1985 werden die Weltausgaben
für militärische FE die 100 Mrd. Dollar-Grenze erreichen - das sind rund 40 % der
globalen Forschungsausgaben. Rund eine Million Menschen sind jetzt in der Forschung für
den Krieg beschäftigt. Die Laboratorien des Todes wachsen.
Die seit dem Manhattanprojekt - der Entwicklung und dem Bau der Atombombe in
Kriegszeiten - weitreichendste Mobilisierung der Wissenschaft für militärische Zwecke
findet seit Anfang der 80er Jahre in den USA statt. Der Anteil der militärischen
Forschung an den Forschungsausgaben des Bundes stieg dort von 46 % (1980) auf 66 % (1984)
und soll 1985 knapp 70 % erreichen. Nominal haben sich in der Amtszeit der Regierung
Reagan die Mittel für militärische Forschung mehr als verdoppelt, wogegen die zivilen
Aufwendungen absolut zurückgingen. Real sind 1980-84 die Mittel für Rüstungsforschung
um 65 % gewachsen, während alle anderen Forschungsbereiche um 30 % zurückgingen.
Research and Development (R&D) funding for guns is up and R & D
funding for butter is down (Science 16.3.1984). Nach dem Budgetvorschlag
der Regierung Reagan für 1985 soll die militärische Forschung im nächsten Jahr um 25,5
% wachsen, die gesamte übrige, nichtmilitärische Forschung dagegen eingefroren werden
was real einen weiteren Rückgang um 5 % bedeutet. Dies ist ein Forschungsbudget der
Vorkriegszeit.
Ein besonders hohes Wachstum weist der DOD-Förderungsbereich advanced technology
development auf (46.8 %), in dem ein großer Teil der Mittel für die
Star-Wars-Pläne etatisiert ist (1985 2.6 Mrd. Dollar, bis 1989 25 Mrd. Dollar!). Rund die
Hälfte der für 1985 geplanten Ausgaben für militärische Grundlagenforschung in der
Physik soll die physikalische Forschung für diese Strategic Defensive
Initiative mobilisieren. In dem Bereich der vom Pentagon geförderten meist
universitären Grundlagenforschung ist der drastische Bedeutungszuwachs der Mathematik und
Informatik offensichtlich. Sie standen 1981 unter den zwölf am meisten geförderten
Disziplinen noch an 8. Stelle; jetzt sind sie mit Abstand der am besten dotierte Bereich
(+ 190 %). Dieser Zuwachs gilt 1984 und 1985 großenteils der Strategic Computing
Initiative. Weitere Schwerpunkte des Budgets Rüstungsforschung der USA sind die MX
und Trident II Raketen, der BI Bomber und die cruise missiles.
Das Gesamtbudget Rüstungsforschung der USA ist freilich weit umfangreicher, als die
skizzierten Angaben nahelegen. Neben den Aufwendungen des Department of Defense bzw. des
Energieministeriums (für militärische Nuklear-forschung) müssen weitere Aufwendungen
beim National Institute of Health, der National Science Foundation und der NASA
berücksichtigt werden, die in unterschiedlichem Maß militärisch relevant sind. Hinzu
kommt die eigenfinanzierte industrielle Rüstungsforschung sowie ein spezielles
Subventionierungsprogramm des DOD (Independent Research and Development
Program), so daß insgesamt bereits rund 1/4 bis 1/3 des Gesamtbudgets
Rüstungsforschung außerhalb des FuE-Etats des DOD zu veranschlagen sind. 1984 werden
in den USA rund 40 Mrd. Dollar für militärische Forschung und Entwicklung ausgegeben
(ca. 35 - 40 % aller privaten und öffentlichen Ausgaben).
Eine ähnliche Entwicklung vollzieht sich in England: hier wurden die Mittel der
Forschung für den Krieg innerhalb kürzester Frist (1977/78-1982/83) mehr als verdoppelt
(von 1,28 Mrd. Dollar auf 2,7 Mrd. Dollar). Seit den frühen siebziger Jahren stieg ihr
Anteil an dem staatlichen Forschungsbudget von rund 45 auf 51,5 %, während zum Beispiel
die Forschungsmittel für Umwelt und Verkehr von 5,2 % auf 1,9 % absanken. Keineswegs
anders verläuft die Entwicklung in Frankreich: dort nahmen die Ausgaben für
militärische Forschung von 15,4 Mrd. Francs (1981) auf 18,1 Mrd. Francs (1982) zu. Sie
machen gegenwärtig rund 35 % der staatlichen und knapp 1/4 der nationalen
Forschungsaufwendungen aus. Mit über 90000 Wissenschaftlern, die in der
Rüstungsforschung Frankreichs tätig sind, arbeitet jeder dritte französische Forscher
für das Militär. Die Schwerpunkte liegen dabei in der Elektronik (24.8 % des Budgets von
1982), der Raketen- und Transporttechnik (21,1 %), Nukleartechnik (21 %) und Raumfahrt
(19,1 %); die militärische Raumfahrtforschung nimmt dabei an Bedeutung zu. Da der
französische Verteidigungsminister Hernu in seinem Fünfjahresplan für die
Verteidigungsausgaben 1984-88 eine starke Zunahme der investiven Rüstungsausgaben
beabsichtigt, ist mit einem weiteren Wachstum der Mittel für Rüstungsforschung zu
rechnen.
Auch die Tendenz in der Bundesrepublik Deutschland weist in dieselbe Richtung, zumal
auch hier das Gesamtbudget Rüstungsforschung weit über die 1.9 Mrd. DM hinausgeht, die
im Kapitel 1420 (Wehrforschung, wehrtechnische und sonstige Entwicklung und
Erprobung) des Einzelplans 14 (Bundesministerium der Verteidigung) des
Bundeshaushalts ausgewiesen sind und sich in den offiziellen statistischen Verlautbarungen
in aller Regel finden.
Hinzu kommen zunächst weitere Mittel aus anderen Kapiteln des Einzelplans 14, aus den
Haushalten anderer Ministerien sowie eigenfinanzierter industrieller Rüstungsforschung,
Mittel der NATO und des Department of Defence. Weiter sind umfangreiche Forschungsausgaben
militärisch relevant, d.h. werden in ziviler wie militärischer Nutzungsabsicht
verausgabt; das gilt z.B. für einen beträchtlichen Teil der Ausgaben für Weltraum- und
Luftfahrtforschung oder Mikroelektronik. Endlich sind weitere wissenschaftliche
Forschungsergebnisse nicht nur zivil, sondern auch militärisch verwendbar (und daher
militärisch relevant), ohne daß eine solche Nutzungsabsicht der Förderung durch
nicht-militärische Institutionen zugrundelag. Einigermaßen präzise zu ermitteln sind
nur die Aufwendungen militärischer Institutionen. Eine entsprechende Analyse der
Finanzierung der militärischen FuE in der BRD auf der Grundlage der Bundeshaushaltspläne
für 1982 (Ist) und 1984 (Soll) ergibt eine Zunahme der Ausgaben für militärische FuE
von 2,689 336 auf 2,983 509 Mrd DM.
Literatur
Bulletin of the Atomic Scientists Mai 1984 S. 40; Science v. 10.2.1984 u.
16.3.1984; Physics Today Dezember 1983 S. 44; AAAS-Report lfd.; International Herald
Tribune lfs.; La Recherche, Analyses et Documents Economiques Nr. 8, (Dez.
1983), Montreuil 1983; Le Monde 27.4.1983; Nature v. 26.1.1984; Science v. 17.2.1984; R.
Williams, British Technology Policy, in: Government and Opposition, Winter 1984, S. 35; R.
Rilling, Militärische Forschung in der BRD, in: Blätter für deutsche und internationale
Politik 8/1982; Bundeshaushaltspläne lfd.
Dr. Rainer Rilling ist Privatdozent für Soziologie an der Universität
Marburg und Geschäftsführer des DdWi