Kleine Bilanzen der Demokratie: Herbstakademie 2008 bei Volterra

demoschneckeVom 9.-16.8.2008 findet die 6. Herbstakademie der Stiftung GegenStand in der Villa Rossa alias Villa Palagione statt: Kleine Bilanzen der Demokratie

 

 

Am Montag, den 11.8.2008, bewegen wir uns am Vormittag in der ZEIT: Luciano Canfora, Professor für griechische und lateinische Philologie in Bari und Autor des Buches „Kurze Geschichte der Demokratie“ wird einen Blick in die GESCHICHTE DER DEMOKRATIE werfen. Am Nachmittag wird Peter Hauck-Scholz, RA in Marburg und bewandert in Staats- und Verfassungsrecht sprechen über „Das demokratische Prinzip in der deutschen Staatslehre und Staatsrechtslehre“.

Am Dienstag, den 12.8.2008 wird zunächst Tom Karasek, Germanist und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Siegen, einen Ausflug in Diskurse über Demokratie unternehmen, wobei es vor allem darum geht, wie „Einigkeit“ hergestellt wird. Bettina Lösch, Universität Köln, die sich mit kritischer Demokratietheorie und politischer Bildung befasst und eine Reihe größerer grundlegender Publikationen in Sachen Neoliberalismus mit erarbeitet hat, wird dann dem aktuellen Zusammenhang von Neoliberalismus und Demokratie nachgehen. Am Nachmittag sind zwei Themenbereiche vorgesehen. Zum Thema DEMOKRATIE, MARKT UND GESCHLECHT wird Eva Kreisky sprechen, sie ist Hochschullehrerin am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien. Als zweites Thema interessiert uns ALIENS!!: BETRIEB TRIFFT DEMOKRATIE! – dazu werden Hans-Jürgen Urban von der IG Metall und Godela Linde von der DGB Rechtsschutz GmbH aufklären.

siena Am Mittwoch, den 13.08.2008 ist in unserer Ferienakademie traditionell Zeit für Erholung, Exkursionen etcetera. Ins Auge gefasst ist eine Betrachtung des allegorischen Freskenzyklus über Die Gute und die Schlechte Regierung, den Ambrogio Lorenzetti 1338/1339 für die Sala della Pace (Friedenssaal) des Palazzo Pubblico in Siena geschaffen hat. Hierzu wird am Morgen Margot Michaelis (Braunschweig) sprechen.

Am Donnerstag, den 14.08.2008 wenden wir uns einer zentralen Institution zu, dieparliament Demokratie „repräsentiert“: dem Parlament. Zur Einführung wird der Soziologe Manfred Lauermann einen Bogen von der klassischen marxistischen Parlamentarismuskritik (Marx/Engels, Lenin) über Carl Schmitt und Johannes Agnoli bis zu Hardt/Negri schlagen und über Die Frage der Repräsentanz sprechen. Im Folgen geht es um kritische Innensichten aus dem wirklichen Leben des Parlaments: Jan Korte (MdB Die Linke) mit Schwerpunkt Bürger- und Grundrechte und Gerd Wiegel (Mitarbeiter der Fraktion Die Linke im Bundestag und u.a. bei der Zeitschrift „Z“ engagiert) werden hier einen Abriss geben. Am Nachmittag geht es um Verschränkungen: Uli Müller von LobbyControl gibt hier einen Abriss en detail und Hans See, Mitbegründer und langjähriger Vorsitzender von Business Crime Control wird die „Dialektik zwischen krimineller Ökonomie und Wirtschaftsdemokratie“ erörtern.

superAm Freitag, den 15.06.2008 diskutieren wir am Vormittag zum Abschluss des Seminars die ambivalente demokratiepolitische Rolle der Gewerkschaftsbewegung und politisch-sozialer Bewegungen in der Bundesrepublik (dazu spricht Horst Schmitthenner von der IG Metall) und fragen dann wieder nach der ZEIT: wie es denn um das „Demokratische“ am „demokratischen Sozialismus“ und um das „Soziale“ an der „sozialen Demokratie“bestellt sein könnte, und wie eine zukunftsbeständige Demokratiepolitik aussehen müsste. Alex Demirovic (Philosoph und Politikwissenschaftler mit zahlreichen Publikationen zu Demokratiefragen) wird dazu in demokratiekritischer und -theoretischer Sicht vortragen.

Die Herbstakademie ist Bildungsveranstaltung, wissenschaftlicher Workshop, politisches Diskussionsseminar und Raum der Erholung gleichermaßen. Sie ist gegenwärtig das zentrale Projekt der Stiftung GegenStand. 2003 führte sie ihre ersten Herbstakademie in der Villa Palagione bei Volterra durch und knüpfte so an ein vergangenes Projekt des BdWi an. Es ging um Krieg und das Empire, um Die gute und die schlechte Regierung, die Frage: Was ist links? und zuletzt um das Thema Raum. Die Zugangsschwelle für das Wochenereignis der 6.Villa Rossa besteht im großen und ganzen nur aus dem üblichen Selbstkostenbetrag (schwankend zwischen 450 und 500 €, je nach Lokalität). Wegen Preisnachlässen kann nachgefragt werden. Und zuletzt ein wichtiger Hinweis: falls das Haus zurückgegebene Zimmer nicht neu vermieten kann, fallen die entsprechenden Zimmerkosten (nicht: die Mahlzeiten) dennoch an – das gilt ab Anfang Juli.

viall Die Villa Rossa hat einen recht bewährten Zeitzuschnitt: Samstags Anfahrt, Sonntags Ausruhen und Vorstellung des Hauses, Montag / Dienstag sowie Donnerstag/Freitag Seminar, Mittwoch Exkursion / Konsum, Samstag Abfahrt. Das Projekt arbeitet non-profit. Die Veranstaltung wird gefördert durch die Rosa Luxemburg Stiftung

Anmeldungen & Nachfragen bei Rainer Rilling: rillingr@mailer.uni-marburg.de.

Print Friendly, PDF & Email

Das Lager als Struktur bundesdeutscher Flüchtlingspolitik

Das Lager als Struktur bundesdeutscher Flüchtlingspolitik
Eine empirische Untersuchung zur politischen Funktion des bürokratischen Umgangs mit MigrantInnen in Gemeinschaftsunterkünften und Ausreiseeinrichtungen in Berlin,Brandenburg und Bramsche / Niedersachsen.

Diss. zur Erlangung des Grades eines Doktors der Philosophie im Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften Otto – Suhr – Institut für Politikwissenschaften Freie Universität Berlin vorgelegt von Tobias Pieper Berlin 2008. Eine wirklich wichtige Arbeit.

Print Friendly, PDF & Email

„Dynamo“oder: welche strategischen Zielsetzungen sollten Einstiegsprojekte verfolgen?

Die aktuelle Kapitalismusdebatte der letzten Jahre hat nicht nur neue Impulse wie z.B. durch die enteignungsökonomische Debatte bekommen, sondern auch in zweierlei Hinsicht einen ungefähren Konsens herausgebildet: über eine, wenngleich zurückhaltende und in ihrer Bedeutung noch unscharf konturierte Charakterisierung des Gegenwartskapitalismus als neoliberalem Finanzmarktkapitalismus und, weiter, über eine deutliche Ausdifferenzierung der Kapitalismustypen (varianten) in den entwickelten Staaten des Nordens. Eine Rolle spielen dabei die Debatte der „Varieties of Capitalism[2], also eine bestimmte vergleichende Kapitalismusanalyse, der regulationstheoretische Ansatz und die Wohlfahrtsstaatsdebatte[3]. Diese Diskussion hat zahlreiche weitere Anstöße gegeben und legt mittlerweile insbesondere nahe, Ø dass es seit Anfang der 90er Jahre in den europäischen Staaten deutliche Konvergenzprozesse gibt, die darauf hinauslaufen, dass durch institutionelle / politische Wandlungen vorhandene (grundsätzlich neoliberale) Pfade aufrechterhalten werden konnten, es aber gleichsam zu einer „Entradikalisierung“ des Projekts Neoliberalismus gekommen ist. Beispiel dafür wäre die deutliche Einführung sozialer Momente in das marktliberale Modell in UK (der liberale Pfad wurde fortgesetzt aber ohne weitere Verschärfung der Ungleichheit) oder die Induzierung liberaler Momente in das schwedische Sozialmodell (ohne mit der Gleichheitspräferenz definitiv zu brechen). Es liegt nahe, diesen Wandlungsprozess als Stabilisierung des neoliberalen Entwicklungspfades durch Modifizierung zu verstehen.

Ø politisch nach meiner Sicht zu fragen, ob deutlicher eine vermittelnde Ebene zwischen „Einstiegsprojekten“ und „Entwicklungspfaden“ konturiert werden kann. Die Formulierung solcher vermittelnder Zielvorstellungen (möglichst in einem Begriff) könnte das Aufzählen einzelner Forderungen zusammenfassend bündeln und eine zwischen Linkspartei und SPD differenzfähige politische Orientierung auf ein Projekt geben, das die Dimension der Modifizierung überschreitet. Die folgende Ãœbersicht zu dem Projekt gibt dafür ein paar Hinweise. „„Dynamo“oder: welche strategischen Zielsetzungen sollten Einstiegsprojekte verfolgen?“ weiterlesen

Print Friendly, PDF & Email

In Sachen Kofler

findet sich auf der Website der Leo-Kofler-Gesellschaft eine ausführliche Kritik Christoph Jünkes an einer Publikation von Kofler-Texten im Wiener Karolinger-Verlag – offenbar ein starkes Stück.

Print Friendly, PDF & Email

US-Militarismus

Es wird wieder einmal Zeit, sich genauer mit dem US-Militarismus zu beschäftigen. Dass es Sinn macht, diesen Begriff zu verwenden, zeigen die ausgezeichneten Analysen von Chalmers Johnson auf AlterNet und James M. Cypher in Monthly Review. Sinn macht es auch deshalb, weil die Kandidaten der Demokraten Clinton und Obama zur Wahl 2008 bisher mit keinem Wort haben erkennen lassen, dass die krasse Steigerung der US-Rüstungsausgaben seit über einem Jahrzehnt nicht ungerührt fortgesetzt werden soll.

Print Friendly, PDF & Email

Zur Causa Albert:

Die Sache Scharenberg hatte Aufsehen erregt – > Spiegel Online, Berliner Zeitung, Neues Deutschland, Junge Welt – und erregt es immer noch, nachdem nun im Tagesspiegel eine ungewöhnliche Solidaritätsanzeige erschienen ist. Ein umfangreicher Bericht im Spiegel skizziert die aktuelle Situation, eine Analyse in Telepolis beschreibt das zunehmend problematische Umfeld. Vielleicht wird die Pein so groß, dass sich Herr Lenzen bewegt.

Print Friendly, PDF & Email

Imperialiät

Ein Vorschlag zur Bestimmung der Kategorie Imperialität ist jetzt erschienen in dem nun publizierten Band zur Tagung „Kapitalismus reloaded“ (Hamburg 2007, herausgegeben von Ch.Kaindl, Ch. Lieber, O. Nachtwey, R. Rilling und T.ten Brink, S.53-79). Das Buch hat 400 S. und kostet 22.80 €. Ein detaillierter Informationsflyer findet sich hier. Probetexte aus dem Band finden sich auf der Website des VSA-Verlages.

Zwei weitere Texte dazu werden noch in diesem Jahr publiziert werden.

Print Friendly, PDF & Email

Die Eigentumsfrage kehrt zurück.

Ãœber Versprechungen…

Eine neue Verdrossenheit entwickelt sich. Sie richtet sich auf die Privatisierung, also die Veräußerung öffentlichen Vermögens und seine Umwandlung in privates Eigentum. Diese Politik der Privatisierung war lange Zeit deshalb unterstützt worden, weil sie mit einigen großen Versprechen des Neoliberalismus operierte wie „Wiederherstellung von Effizienz“ (angesichts des maroden Zustands vieler öffentlicher Einrichtungen), „Kosten- und Preissenkung“ (durch Bürokratieabbau und Konkurrenz neuer Anbieter), “Behebung der Krise der öffentlichen Finanzen“ (durch Veräußerungseinnahmen) oder „neue Wahlfreiheit des Konsumenten“ (durch eine Vielfalt der Produkte und Dienste dank technologischer Innovation und Wettbewerb).

Doch nun wächst die Skepsis. Den Bereich der Telekommunikation ausgenommen, kann von Kostensenkungen, die privaten Konsumenten und Konsumentinnen zugute kommen, schon lange nicht mehr geredet werden. Verbreitete Korruption und die Verschlechterung der Qualität beispielsweise durch Reduzierung und Ausdünnung von Dienstleistungen haben die Rede von der Effizienzsteigerung durch Private mittlerweile als Mythos entlarvt. Eine breite qualitative Verbesserung und Modernisierung der Infrastruktur hat nicht stattgefunden. Der Wettbewerb wurde nicht gestärkt, vielmehr wurden aus öffentlichen Monopolen eine Handvoll global operierender privater Monopole. Die Wahlfreiheit ist oft zu chaotischen Angebotskonkurrenzen mutiert. Die Krise der öffentlichen Finanzen ist nicht beseitigt, die aktuellen positiven Veränderungen sind nur in sehr geringem Umfang auf Privatisierungserlöse zurückzuführen, der Staat verarmt sich weiter. Die Privatisierung von Hoheitsaufgaben (Verkehrsüberwachung, Sicherheitsdienste, Polizei, Gefängnisse, Militär) begegnet Misstrauen und ist offenbar nicht kostengünstig – für viele scheint hier auch der Rechtsstaat in Frage gestellt zu werden. Kurz: die Versprechen sind nicht eingehalten worden. Ganz im Gegenteil. „Die Eigentumsfrage kehrt zurück.“ weiterlesen

Print Friendly, PDF & Email

Harvey: „If it looks like class struggle, feels like class struggle, then it is class struggle for God`s sake!“

David Harvey auf der Historical Materialism Tagung 2006 in LondonNach Zizek kurz Harvey. In der neuen Zeitschrift „Studies in Social Justice“ findet sich ein Interview mit David Harvey. Er äußert sich pragmatisch über die Rolle der linken akademischen Intellektuellen als „echo chamber“, inspiriert von sozialen Bewegungen, skizziert den Neokonservatismus als Konzept moralischer Autorität und Ordnungswünsche („like China“) und schildert, wie er angesichts des US-Angriffs auf den Irak sein Buch „The New Imperialism“ voller Wut in sechs Wochen schrieb. Das Interview gibt einige seltene Einblicke in biografische Motive eines der wenigen globalen linken Intellektuellen, dessen angenehm uneitler Gestus immer wieder auffällt. Auch der folgende Beitrag Harveys zu „Neoliberalism and the City“ (eine Vorlesung vom September 2006) ist lesenwert. Er skizziert den Fall New York: wie der neoliberale Umbau New Yorks seit 1973/5 mit dem Bankrott der Stadt stattfand (was einem Staatsbankrott Italiens oder Frankreichs entsprach): zeitgleich zu Chile und in weitaus größerem Maß und mit unvergleichlich größerer globaler Relevanz (!) als Avantgardeprojekt des Neoliberalismus, kontextgesteuert durch die Androhung von force gegenüber den Saudis um bei Strafe einer militärischen Invasion die Petrodollars in die Taschen der New Yorker Investmentbanker zu schaufeln, die anschließend mit der Finanzialisierung New Yorks und der Etablierung der Stadt als divided city (was NY seit den 1980ern blieb) und weltweitem Finanzzentrum begannen. „If it looks like class struggle, feels like class struggle, then it is class struggle for God`s sake!“

Print Friendly, PDF & Email