heisst der von Michael Brie edierte Band 39 der Reihe Texte der Rosa-Luxemburg-Stiftung bei Dietz, mit 207 Seiten, Broschur, ISBN 978-3-320-02116-0. Dort findet sich ein ausführlicher Beitrag mit dem Titel „Imperialität. US-amerikanische Diskurse seit 9/11“ (S.141-207). Der gesamte Band – und so auch dieser Text – ist online frei als .pdf zugänglich.
Kartografien der Macht 3 [Wirtschaft]
Wieder anders die Karten der Wirtschaftsmacht. Konzerne bilden Ressourcen (Standorte, Rohstoffe, Energie wie Atom und Öl, gebundenes Kapital, Warenzeichen und Ikonen, Aufmerksamkeit und Arbeitskräfte), Märkte (Geld- und Warenströme, Konkurrenten) und die Relationsgrafiken ihrer Profitwirtschaften ab – also die Landschaften des Kapitals und seiner Imperien des Eigentums. Ihre Karten repräsentieren die quantitativen Dimensionen der Verteilung und Bewegung von Eigentum und Kapital. Sie operieren in den Mustern der Konkurrenz und visualisieren die Profile der Standorte. Es geht um Wertschöpfung und Bonitäten. Wer also an die Karten des Kapitals denkt, wird an erster Stelle auf die Grafiken treffen, welche die Statistiken ökonomischer Daten wiederspiegeln: Bruttosozialprodukt, Beschäftigung, Handel, Einkommen, Finanzdaten, die Börsenkarten, Warenströme, Gewinngrößen, -relationen und faktoren. Sie spiegeln also den Fluß und die Verteilung des Kapitals und des Eigentums wieder [z.B. die Chicago Busniess Market Facts Interaktive Maps oder die scharfe Property Shark Website]. Sie sind zugleich Karten der Macht und werden von dieser gemacht. In der lassen sie nicht erkennen, was das Zeichnen von Karten bedeutet: Repräsentation, also Selektivität, Auswahl, Weglassen, Hervorhebung, Übertreibung, Vereinfachung und Kombination.
Nun produziert das Kapital nicht nur den Fluß von Gütern und Geld, sondern auch von Zeichen und Erzählungen. Vor allem ist jeder Schritt der Expansion verbunden mit neuen Karten und Zeichen, die seine neuen Repräsentanzen belegen. Seine Presseabteilungen infiltrieren die Medien des Neuen, Websites der Unternehmen präsentieren Idendität. Ihre Werbung und ihr Marketing binden sich an neue Märkte. Werbung lässt sich als symbolisches Mapping und als Konstruktion einer visuellen Konstellation verstehen – auch wenn es hier um Markenzeichen und um Verkauf geht. Die Karten der Wirtschaftsmacht geben meist solchen Erwägungen Raum: sie müssen Wiedererkennbarkeit durch die Präsentation von Profitabilität, unverkennbar eigenen Stil und Logo sichern und eine eigene große Erzählung andeuten. Räumliche Konstellationen oder konkrete geografische Bezüge haben im Feld der Kapitalperspektiven differenzierte Rollen. So bleibt in der medialen Alltagspräsentation des Kapitals dieses gleichsam unsichtbar, es ist ein mythisches, utopisches „gutes“ und „wohltätiges“ Kapital, ein dekontextualisiertes und deterritorialisiertes (also zumindest global präsentes) Kapital. Im globalen Raum gibt sich das Kapital hilfreich: beim Übergang in die Moderne, bei Katastrophen, bei individuellen Problemen. Epische Projekte monumentalen Zuschnitts werden da angegangen, die Anrufung des Spirituellen schwingt dabei oft mit. Es präsentiert Weltbilder des Fortschritts und der Kontrollfähigkeit, des Wandels und der Stabilität. Es ist Träger erfolgversprechender Ideen. Es sind Versprechenskarten. Seine Veränderung im Raum geht nach außen und nach oben: Expansion und Aufstieg sind die Bewegungen, die es vorführt. Für Raumeroberung und –kontrolle stehen die Netzwerkgraphiken der business-charts, in denen die Verflechtung und Verdichtungen der interlocking directorates dokumentiert werden.
Und es bewegt sich ökonomisch eben, mit der eigenen Zeitrationalität des Verwertungsflusses (Mobilität, Logistik, Just-in-Time, Raum-Zeit-Kompression etc.). Das visuelle Marketing der internationalen Konzerne in den Werbebotschaften des Fernsehens und Kinos geht dabei klar auf Abstraktion: keine Bindung an Orte, also serielle, delokalisierte globale oder Nicht-Orte, die keine bekannte Geographie haben. Da gibt es austauschbare serielle Geschäftstürme, wichtige Männer (Power-Broker des Wandels, verantwortungsschwere Manager, mobile klassenindifferente Aufstiegsnomaden, weißgekleidete Technikbeherrscher), Hochtechnik, Logos und exotische Orte, wo Frauen und wilde Landschaften kolonial als affektiver Hintergrund konfiguriert werden, zuweilen auch national konnektierte architektonische Zeichen (Freiheitsstatue, Eiffelturm, Brandenburger Tor). In diesen Netzwerken der Krisenlosigkeit ist die dunkle Seite des Kapitals versteckt: Ungleichheit, gar nicht exotische Armut, Gewerkschaften, Ausbeutung, Krieg. Die Stile der visuellen Raumpräsenz des Kapitals haben zugleich viel zu tun mit der Verortung und Bewegung seiner verschiedenen Abteilungen. Die Selbstdarstellung der Extraktionsindustrien (Rohstoffe, Öl, Energieproduktion) operiert häufig mit gängigen, ortsbezogenen Landkarten, auf denen sie Ressourcen, Produktionsstrukturen und Verteilmedien vermerkt. Die visuellen Beschreibungen der Transportindustrie und des Cyberkapitals fokussieren auf Netzwerke und den Fluß der profitablen Objekte in ihnen, ob es nun um Migranten oder um Megabits geht. Die weitläufigen Industrien der Soft Power schließlich zeichnen auch die Verteilungsmuster ideologischer Güter und ideeller Waren. Alle gemeinsam verfolgen in vielfältigster Weise die räumliche Verteilung ihrer Produkte und ihren Verbrauch – ein Exempel unter Tausenden ist die schicke Karte „Generic Names for Soft Drinks by County“.
Alle nutzen Mapping als Marketing. Ihr Verfolg der sozialen Welten des Konsums geht über in die Sozialkartierungen, die zu einem Betätigungsfeld der soziokulturellen Machtapparate geworden sind. Hier geht es um die visuellen Kulturen der sozialen Integration und Gefolgschaften, der Differenz, Diversität oder Multikulturalität, der „natürlichen“ Extreme der Ungleichheit und der neoliberalen Illusionsideologien der kommenden oder schon vorhandenen Gleichheit. Dieses breite Milieu der Zivilgesellschaft ist differenziert, seine Kulturen sind unübersichtlich und mit zahllosen Interessen und Akteuren verknüpft. Hier tummeln sich google earth-Spieler, Sozialnavigationsexperten, Symbolfachleute – und ein paar Millionen Mapper mehr.
Neocon`s Klima
Das American Enterprise Institute (AEI) ist zusammen mit Heritage der wichtigste rechte Think Tank in den USA. Über 20 Mitglieder des AEI wechselten in die erste Bush-Administration über, für zahlreiche Projekte der Bush-Administration (bis hin zum Krieg gegen den Iran) entstanden im AEI die Vorlagen. Laut Guardian vom 2.2.2007 bezahlt das AEI nun jenen Geld (nämlich 10 000 $), die eine Kritik der eben publizierten UN-Klimastudie schreiben. Von ExxonMobil bekam das AEI übrigens 1,6 Mio $ gespendet und ein vormaliger Chef des Unternehmens ist stellvertretender Vorsitzender des AEI-Aufsichtsrates. Der Worldwide Giving Report 2005 von ExxonMobil ist ein Blick wert.
Der bekannte Soziologe Josef Ackermann von der Deutschen Bank
hat eine sensible Beobachtung zur Kluft zwischen Unternehmensführern und der Bevölkerung gemacht: „Mir gegenüber sind eigentlich alle außerordentlich zuvorkommend.“ (Der Spiegel 4/07/38)
Verschwörung
Via Krys ein Hinweis auf Sondenkind und das Project for the Exposure of Hidden Institutions. Es geht um Verschwörung(stheorien). Bei Domhoff gibt`s dazu übrigens ein Update von Who Rules America und man stößt nicht nur auf auf Helmut Schmidt`s bebilderten Auftritt beim Bohemian Grove, sondern fragt sich auch, was Mathias Döpfner von der Axel Springer AG, der neue österreische Bundeskanzler Gusenbauer, Josef Joffe und Matthias Nass von der ZEIT, Friedbert Pflüger, Otto Schily, Hubert Burda, Jürgen Schrempp, Klaus Zumwinkel, Richard Perle und Henry Kissinger bei der Bilderbergkonfererenz 2006 in Ottawa taten, obwohl doch schon so viele Deutsche da gewesen sind? Im Fall von Pflüger und Kissinger ist das Rätsel gelöst: sie guckten Fußball. Ansonsten beherrschen sie die Welt, Pflüger, David Rockefeller und all die anderen.
2006 war ein gutes Jahr!
für die Jungs von Goldman Sachs und dem Rest der 170 000 Beschäftigten der fünf großen Investmentbanken der USA, zu denen noch Morgan Stanley, Merrill Lynch, Lehman Brothers und Bear Stearns zählen. Ihr Bonus in 2006 summierte sich auf 36 Milliarden Dollar, insgesamt strichen sie runde 60 Milliarden ein – etwa das Bruttosozialprodukt von Vietnam. Zu den regulativen wie klimatischen Prämissen solcher Zufriedenheit gehört sicherlich, dass in der Bush-Administration zahlreiche frühere Spitzenleute von Goldman Sachs arbeiten: Hank Paulson als Schatzmeister, William Dudley als Chef der Federal Reserve Bank von New York; Robert Steel als Undersecretary of Treasury; Reuben Jeffrey als Vorstzender der Commodity Futures Trading Commission und Randal Fort ist als Assistant Secretary of State for Intelligence and Research bei Condoleezza Rice und Joshua Bolten endlich ist der Chief of Staff des Weißen Hauses; Jon Corzine ist Gouverneur von New Jersey; John Thain gehört zum Spitzenpersonal der New Yorker Börse. Mario Draghi übrigens, auch von Goldman Sachs, ist Vorstandsvorsitzender der Bank von Italy.
Das klingt jetzt irgendwie verbissen, so am Neujahrstag? Ist es auch.
USA-Zwischenwahlen
Im Sozialismus vom Dezember 2006 findet sich ein Beitrag von mir zu den Zwischenwahlen in den USA, der auf linksnet online publiziert wurde.
Staatsästhetik
Eine kurze Notiz zu einem aktuellen Beispiel in Linkslog
Ungleichheit als Projekt
ist der Titel einer Konferenz, die vom BdWi organisiert wird. Es dürfte die interessanteste Tagung zum Thema Gleichheit / Ungleichheit werden, die seit Jahren hierzulande ausgerichtet wurde.
Hilary Clinton
Ziemlich viel Linke finden Frau Clinton gut, auch weil ihr Mann so toll zusammen mit Bush und Gates gegen Aids kämpft und seine Stiftung aus Armen Kleinunternehmer macht. Sie sollten aber auch die neue Kleiderordnung beachten, an die Good Magazine jüngst erinnerte: zu den Zwischenwahlen im November 2006 hat Frau Clinton bislang acquiriert -> „Hilary Clinton“ weiterlesen
Ungleichheit
“The statistics are horrifying. Out of a total of 6,373 million human beings (in 2004), about 1,000 million have no adequate shelter; 831 million are undernourished; 1,197 million have no access to safe water; 2,742 million lack access to basic sanitation; 2,000 million are without electricity; 2,000 million lack access to essential drugs; and 799 million adults are illiterate. About 170 million children between 5 and 14-years-old are involved in hazardous work (for example, in agriculture, construction, textile or carpet production); 8.4 million of them in the “unconditionally worst” forms of child labour, “defined as slavery, trafficking, debt bondage and other forms of forced labour, forced recruitment of children for use in armed conflict, prostitution and pornography, and illicit activities”. „Ungleichheit“ weiterlesen
G8
Im Frühsommer 2007 treffen sich die TopDienstleister der Welt im Kempinski in Heiligendamm an der mecklenburgischen Ostseeküste. Linksradikale Vorbereitungen auf den G8-Gipfel werden hier dokumentiert. Bernd Hüttner hat im Linkslog auf das Buch zu den entsprechenden Aktivitäten in Gleneagles 2005 aufmerksam gemacht, das kostenlos als pdf erhältlich ist..
Ungleichheit
“Das reichste Zehntel der Bevölkerung (Chiles) beansprucht 47 Prozent des Einkommens, das ärmste Zehntel erhält kaum mehr als 1 Prozent.” (FAZ v.30.1.2006)
Bildung und Reichtum
Michael Hartman hat in der Berliner Zeitung vom 21.1.2006 kurz den Zusammenhang von Armut und Bildung in den USA und der BRD notiert: „Bildung und Reichtum“ weiterlesen