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Rainer Rilling

Zur Rüstungsforschung im Etat 1989

Die Freigabe der Entwicklung des „Jäger 90 “ am 4. Mai 1988 ist der forschungspolitisch bedeutsamste Beschluß des Jahres 1988 gewesen. Bis zu diesem Zeitpunkt waren bereits rund 800 Mio DM Entwicklungsgelder für „das mit weitem Abstand teuerste Waffensystem der Bundeswehr “ (Bundesrechnungshof) ausgegeben worden; nun wurden weitere 6,154 Mrd DM zusätzlich bewilligt - die tatsächlichen Entwicklungskosten werden bei mindestens bei 8-9 Mrd liegen und damit den Jahreshaushalt des Forschungsministeriums weit übertreffen. Obwohl der „Jäger 90 “ in seiner fiskalischen Langfristwirkung nur mit dem Vorhaben des „Schnellen Brüters “ in Kalkar (7 Mrd) bzw. den Großprojekten der bemannten Raumfahrt (Ariane, Hermes, Columbus) vergleichbar ist, waren die von Amts wegen mit Forschungs- und Technologiepolitik befassten parlamentarischen bzw. exekutiven Gremien an dieser Entscheidung keine Sekunde beteiligt.

Ausgaben für militärische Forschung
(Epl.14, Kap.1420) (in Mio.DM)

1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989
  +9,7% +6,1% +26,3% +1,1% +11,2% -1,41% +11,1%
1664 1826 1948 2460 2487 2793 2755 3056
Epl 14 Kap. 1420

Die Ansätze für dieses einzelne Projekt haben bereits massive Spuren im Haushaltsentwurf 1989 der Bundesregierung hinterlassen und sind hauptverantwortlich dafür, dass der schmale Rückgang des Mittelansatzes für militärische Forschung in 1988 eine einmalige Episode geblieben ist. Statt dessen sollen 1989 die offiziell ausgewiesenen Mittel für militärische Forschung (Epl. 14, Kapitel 1420) erstmals die 3-Milliarden-Grenze überschreiten; 1992 sollen es rund 3,7 Mrd DM sein. Damit steigen die Forschungsausgaben innerhalb des Einzelplans am stärksten. Die konservativ-liberale Regierung hat diese Ansätze seit 1982 kontinuierlich angehoben.

Das Gesamtbudget Rüstungsforschung ist jedoch wesentlich umfangreicher. Werden die an anderen Stellen des öffentlichen Haushalts ausgewiesenen Ausgaben, die zunehmenden Aufwendungen für (eigenfinanzierte) industrielle Rüstungsforschung sowie die Mittel für „freie “ Forschung mit einbezogen, dann werden sich 1989 die Ausgaben der 6 Mrd-Grenze nähern. 1. Weitere, militärisch relevante Aufwendungen, die in ziviler wie militärischer Nutzungsabsicht erbracht wurden, in Höhe von über 1 Mrd DM vor allem im Bereich der Elektronik (insbesondere beim BMFT) ließen sich einbeziehen.

Für die gesamte Amtsperiode der gegenwärtigen Bundesregierung zeichnet die Haushaltsstatistik ein deutliches Bild. Der Etatentwurf 1989 ist der Siebte seit 1982, den die konservativ-liberale Koalition zu verantworten hat. In dieser Zeit konnte das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) als einziges Bundesministerium seinen Anteil am Forschungsbudget des Bundes steigern, alle anderen Ministerien verloren zu Lasten der Militärforschung.

Je nach Bezugsgröße hat die konservativ-liberale Regierung seit 1982 die Ansätze für Rüstungsforschung um 1,5-2,5 Mrd DM angehoben. Von den rund 86,8 Mrd DM, die laut Finanzbericht 1989 der Bundesregierung der Bund in diesen acht Jahren für Wissenschaft, Forschung und Entwicklung (außerhalb der Hochschulen) aufgewandt hat2, gingen weit über 40 % nur in die Atom- und Rüstungsforschung. Für die militärische Forschung hat die konservativ-liberale Koalition während ihrer Amtszeit die meisten Mittel bereitgestellt - mit steigender Tendenz. Wie tiefgreifend die Schwerpunktveränderung ist, kann man aus der Verteilung der zusätzlichen Ressourcen seit 1982 erkennen:: seit 1982 wurden für Rüstungsforschung rund 5,6 Mrd DM zusätzlich bereitgestellt - im Bereich Ökologie ("Reinhaltung von Luft, Wasser und Erde, Lärmbekämpfung, Reaktorsicherheit, Strahlenschutz") summieren sich die zusätzlichen Mittel auf lächerliche 153 Mio DM, die Minderausgaben für die „Sonstige Energieforschung" kumulieren sich auf über 2,1 Mrd DM.

Dass sich die „Forschungspolitik der Bundesregierung ... gezielt den wirklichen Staatsaufgaben in der Grundlagenforschung, in der Unterstützung des Mittelstands bei der Innovation und in der Vorsorge- und Umweltforschung zugewandt" habe - so der Bundesforschungsminister Heinz Riesenhuber in einer Kabinettssitzung am 13. September 1988 - trifft nicht zu. Die finanziellen Schwerpunktsetzungen sprechen eine völlig andere Sprache.

Rainer Rilling ist Geschäftsführer des BdWi in Marburg und Privatdozent für Soziologie, Univ. Marburg