Rainer Rilling
in: Vortrag auf dem Kongress "Demokratie an der Schnittstelle. Neue Medien und politische Perspektiven" der Hessischen Gesellschaft für Demokratie und Ökologie e.V. (HGDÖ) am 07.12.1996 in Frankfurt, geringfügig überarbeitete Fassung vom 17.01.1996. Einige Argumentationen des Vortrags wurden erstmals entwickelt in dem Beitrag Das unpolitische Netz an der DGB-Bundesschule Hattingen, 11.10.1996. Eine übnerarbeitete Fassung ist erschienen in: Telepolis
Fussnoten zu: 
Auf dem Weg zur Cyberdemokratie? 
Strukturwandel der Öffentlichkeit durch Neue Medien

 

1 Ein "neues athenisches Zeitalter der Demokratie" (Gore). An der "Schwelle zu einer neuen Demokratie"(Gingrich). "Hyperdemocracy" (Time-Titel v. 23.1.1995, S.53). "Im Internet ist man frei. Es gibt keine Zensur, keine Diktatur und keine Filter. Jeder kann tun und lassen was er will ...Das Netzwerk des Internet ist nicht kommerziell, dafür kreativ-chaotisch" (Prospekt der 1 & 1 Werbeagentur für Telekom Online. Sommer 1995). "Keine Kontrolle mehr, keine Hierarchie, kein Gesetz. Nun spielt für einen, der den Computer ans Netz schließt, tatsächlich keine Rolle, ob er in Deutschland, Frankreich oder im Silicon Valley zu Hause ist. Wissen muß er allerdings, ob er zu Microsoft gehört oder zu Sega oder Walt Disney oder was die Namen sein mögen...Also doch keine Anarchie, sondern Herrschaft von Firmen, die weltumspannende Organisation werden? Weder noch. Im Pentagon werden die neuen Lehren gefördert und angewandt wie nirgends sonst."(Hilmar Kopper, Deutsche Bank, Eröffnungsbeitrag zur Tagung der Alfred-Herrnhausen-Gesellschaft im Frühjahr 1995). Das folgende Bild ist entnommen dem Aufsatz von Jane McKie: Is Democracy at the Heart of IT? in Sociological Research Online 4/1966.

2 Claus Koch: Letzte Nachricht von der Öffentlichkeit, Kursbuch 125 (September 1996), S.160

3 Enquetekommission "Entwicklung, Chancen und Auswirkungen neuer Informations- und Kommunikationstechnologie in Baden-Württemberg (Multimedia-Enquete)", 5. Sitzung 17.3.1995, Stuttgart, Protokoll, S.163.

4 Das Netz ist bislang überraschend wenig Gegenstand der politischen Wissenschaft und politischen Soziologie gewesen. 1996 hat sich nur eine kleine Arbeitsgruppe der APSA-Tagung mit dem Internet befasst, ein Artikel zum Thema in einer zentralen politikwissenschaftlichen Zeitschrift steht noch aus. Der Dresdner Soziologentag 1966 brachte erste, demokratiepolitisch relevante Beiträge von H. J. Krysmanski (Münster) sowie M. Bös / Ch. Stegbauer (Heidelberg/Frankfurt). Neben den im Quellenverzeichnis zusammengestellten Beiträgen sind in diesem Kontext die Analysen der Projektgruppe Kulturraum Internet des WZB sowie von Martin Rost besonders zu erwähnen. Folgt man dem gut geführten Münsteraner Verzeichnis zur Internetliteratur dann fehlen Monografien zum Thema "Politik und Internet". Zur fast durchgängigen Ignoranz in den Umfragen siehe B. Batinic`s ausgezeichnete Gießener Zusammenstellung. Als Ausnahme zu nennen ist Th. A. Wetzstein u.a.: Datenreisende. Die Kultur der Computernetze, Opladen 1995.

5Amelia DeLoach berichtet, dass E-Mail`s an den parlamentarischen Propheten der Informationsgesellschaft Gingrich die automatische Rückfrage nach der Postadresse generierten, denn auf diesem Wege via Snail Mail würde die Antwort kommen.

6 internet-magazin 9/96, S.8, pl@net 9/1996 S.26, 28, 30. Spiegel und Focus vermerken demgegenüber 600-900 000 Seitenaufrufe.

7 Clifford Stoll: Die Wüste Internet. Frankfurt 1995, S.78.

8 Niels Werber: Frohe Botschaften aus dem Cyberspace, in: Monat 6/1996, S.550.

9 Vgl. etwa den Beitrag von Bernd Adamaschek (Bertelsmann-Stiftung): Neue Medien und bürgernahe Verwaltung, in: BMWi (Hg.): Die Informationsgesellschaft: Fakten. Analysen. Trends, Bonn 1995. Vgl. zum Thema Peter Fleissner: Max Webers Bürokratietheorie im Lichte moderner Kommunikationstheorien, Wien 1995

10 S. J. Rüttgers: Politikfähigkeit medial bestimmter Demokratien, Vortrag auf der Tagung der Alfred-Herrnhausen-Gesellschaft, Frankfurt 1995: "Hingegen kommt die Verlagerung von Entscheidungsmacht auf die Träger von Plebisziten einer bewußten Entparlamentarisierung und damit Schwächung der Funktions- und Integratonsfähigkeit des Parlaments gleich. Kreist erstmals das plebiszitäre Damoklesschwert über den Köpfen der Parlamentarier, dann ist es mit ihrer Entscheidungsfreiheit nicht mehr weit her."Oder: "Der Rat für Forschung, Technologie und Innovation betrachtet diese Möglichkeiten primär als Chance, die den Bürger in erster Linie auf kommunaler Ebene mehr als bisher in den politischen Diskurs und in die politische Verantwortung einbeziehen kann. Auch die Bundesregierung begrüßt im Sinne einer unmittelbaren Bürgerbeteiligung jede Entwicklung, die zu einer besseren Information der Bürger und zu einem intensiveren politischen Dialog beitragen kann. In den letzten Jahren sind durch die Einführung von Bürgerbegehren und Bürgerbescheid Elemente direkte Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene gestärkt worden. Bei dieser Entwicklung darf jedoch nicht außer Acht gelassen werdemn, daß die Beteiligung der Bürger sich nicht auf besonders interessierte Bevbölkerungsgruppen, die zudem die Möglichkeit der Anbindung an Kommunikationsnetze haben, beschränken darf. Prinzipien der repräsentativen Demokratie dürfen nicht ersetzt werden." (Info 2000, S.62). In einem Papier der Arbeitsgruppe C des "Rates" hieß es: "Einerseits wird die repräsentative Demokratie in Frage gestellt, wenn jeder Bürger sich im Prinzip unmittelbar an der politischen Willensbildung beteiligen kann. Andererseits kann und darf die quasi "direkdemokratische Technologie" die institutionellen Vorkehrungen der Demokratie zur immer kompexer werdenden Entscheidungsfindung und den politischen Diskurs nicht ersetzen. Dies schließt jedoch die direkte Beteiligung der Bürger an Entscheidungen klar umrissener Fragestellungen insbesondere auf kommunaler Ebene nicht aus...Zu bedenken ist auch der bewiesene Umstand, daß über das Wählen hinausgehende Formen politischer Beteiligung nur von bestimmten Teilen der Bevölkerung genutzt werden. Dies kann das Grundprinzip der demokratischen Gleichheit gefährden...Die dargestellten Entwicklungen sollten nicht als Gefahr, sondern als Chance betrachtet werden, den Bürger mehr als bisher in den politischen Diskurs und die politische Verantwortung einzubeziehen; in erster Linie auf kommunaler Ebene. Diese Entwicklung kann zu mehr Aktzeptanz der politischen Entscheidungen führen und hilft möglicherweise, Politikverdrossenheit abzubauen. Allerdings kann und darf diese Art der Kommunikation auch in Zukunft den institutionalisierten Diskurs der repräsentativen Demokratie nicht ersetzen."(S.9f.). Auch wenn sein Vorschlag nicht weiter geht, zeigt sich mehr Vertrauen in demokratische Mitwirkungsprozesse bei Wolfgang Bergsdorf: Informationsgesellschaft und Politik, in: BMI (Hg.): Informationsgesellschaft und innere Sicherheit, Bonn 1996, S.79: "Ich glaube nicht, daß die repräsentative Demokratie dadurch in Frage gestellt wird, indem Multimedia prinzipiell jedem Bürger die Möglichkeit anbietet, sich unmittelbar am politischen Willensbildungsprozeß zu beteiligen...Ob das multimediale Angebot die Verlockungen populistischer Entscheidungen verstärkt oder verringert, ob dadurch Politikverdrossenheit abgebaut oder vergrößert wird, das ist heute noch nicht auszumachen. Gleichwohl - denke ich-, es sollte der Versuch gemacht werden, mit Hilfe multimedialer Dienste auf kommunaler Ebene die Bürger stärker als bisher an der politischen Entscheidungsfindung zu beteiligen." ("Entscheidungsfindung", nicht "Entscheidungsfällung"!). Folgerichtig ist für den BMI-Ministerialdirektor Bergsdorf nicht die Produktion, sondern die Auswahlmöglichkeit unter gegebenen Inhalten das Neue an Multimedia: "Das neue Grundgesetz von Multimedia heißt: Jeder wird sein eigener Programmdirektor, jeder entscheidet selbst, welchen Inhalten er die knappe Ressource seiner Aufmerksamkeit zuwendet." (76)

11 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung: Chancen durch Multimedia: Was bringt die neue Technik? Bonn 1996 S.49.

12 Das ist relativ zu sehen: die Demokratiefrage wird im "Bericht der hochrangigen Experten" in einem von 11 Kapiteln erörtert, das "Grünbuch" handelt die Demokratiefrage in nur 5 von 125 Stichpunkten ab. Noch peripherer die Problematik im Information Society Forum Annual Report und im Bericht der Europäischen Kommission: Die Bedeutung der Informationsgesellschaft für die Politik der Europäischen Union [Brüssel 1996]. Siehe dazu F. O. Wolf (Hg.): Cyberflash. Cybercash. Cybercrash. Informationsgesellschaft. Perspektive für Europa? Bonn 1996

13 Computerdemokratie könne mehr Transparenz und Bürgernähe ermöglichen, z.B. die Durchführung von Meinungsumfragen erleichtern. Größere Bürgernähe dürfe jedoch die Privatsphäre nicht verletzen. Es gibt eine Informationsexplosion, was "aber nicht zwangsläufig zu mehr Demokratie" führen müsse (S.88)

  • "Erstens haben nicht alle soziale Gruppen und nicht alle Bürger Zugang zu den IKT.
  • Zweitens geht es bei der verstärkten Nutzung der IKT nicht in erster Linie um den Meinungsstreit, sondern um die einseitige Darlegung von Standpunkten ohne Gegenargumente.
  • Zudem besteht die Gefahr einer Informationsüberflutung..."(88)

Die Entwicklung einer direkten elektronischen Demokratie beschwöre Gefahren herauf, weil der Zugriff nicht allen Bürgern gleichermaßen möglich ist. "Anders als der öffentliche Raum der Agora könnte die "elektronische Agora" die Ungleichheit verstärken, da der Zugriff auf IKT nicht allen Bürgern im gleichen Maße möglich ist. Viele soziale Gruppen werden sich an Volksabstimmungen per Computer gar nicht beteiligen können, da sie nicht über die erforderlichen technischen Geräte oder Kenntnisse verfügen. Dies gilt vermutlich in erster Linie für einkommensschwache, minderqualifizierte oder ältere Bürger. Ihnen droht dabei nicht nur der faktisch Ausschluß von der Stimmabgabe, sondern auch die Verschlechterung ihrer sozialen Lage,. da ihre Meinung immer weniger berücksichtigt wird und es somit langfristig zu einer technologischen Entrechtung kommt."(89) "Die "direkte Demokratie" widerspricht der Erfahrung, daß für die Bildung eines Urteils mehr Zeit benötigt wird als für die Verbreitung von Informationen....Der technische Mechanismus der IKT versetzt Einzelpersonen häufig in die Lage, sich direkt und sofort einzuschalten, um eine Meinung darzulegen oder gar an einer Abstimmung teilzunehmen. Die direkte Demokratie ist eine Form der demokratischen Teilhabe. Sie sollte nicht an die Stelle anderer, vertrauter Formen der (/) repräsentativen Demokratie treten, die auch die Achtung des Pluralismus der Ideen einschließen." (89/90). Die Unterrichtung der Bürger und ihre Teilhabe an staatlichen Entscheidungen - die in dem Bericht freilich nicht näher spezifiziert wird, könnte auch horizontale Diskussionen befördern.

14 Ralf Hecht: Politische Information und Interaktion im Vergleich von Fernsehen und Internet (mit Schwerpunkt World Wide Web) in Deutschland?, Marburg 1996

15 Detailliert zum folgenden s. Rainer Rilling: Enternet, in: Georg Ahrweiler, Rainer Rilling, Ralf Schellhase (Hg.): Soziologische Ausflüge, Opladen 1996, S.239ff.

16 Das TAUB Urban Research Center der New York University veröffentlichte am 16.9. 96 - basierend auf den Host-Daten von Matrix und Netwizards - eine Studie "Leaders and Losers on the Net" von Mitchell L. Moss, Anthony Townsend: Leaders and Losers on the Internet, NY 11.9.1996, wonach * 50 % der Internet Hosts sind in den 5 Staaten California, Massachusetts, New York, Texas, Virginia; allein 13 Nord-Ost / Neu-England-Staaten sowie DC konzentrieren 30,24 % der Hosts und - zusammen mit Kalifornien - die Hälfte aller Hosts; 90 % der Hosts sind in 21 Staaten, mehr als die Hälfte der 50 US-Staaten hat keine substantielle Anzahl von Hosts * fünf große metropole Gebiete konzentrieren rund 1/3 der Hosts - rund 400 000 - auf sich, am meisten Silicon Valley, Middlesex County (Route 128), Los Angeles County (High-Tech Special Effects für Filme) und Manhattan (WWW-Site-Entwickeler) stehen dabei voran. Unter den ersten 25 sind u.a. San Diego, Chicago, Minneapolis, Seattle (Microsoft!), SF, Dallas, Washington: In Städten wie Houston, Miami, Detroit oder New Orleans dagegen gibt es kaum Hosts. Siehe zum Gesamtkomplex Saskia Sassen: Metropolen des Weltmarkts, Frankfurt 1996.

17 Vgl. R. McChesney: The Internet and U. S. Communication Policy-Making in Historical and Critical Perspective, in: JCMC Vol. 1 H. 4. Vgl. Bündnis 90 /Die Grünen Bundestagsfraktion: Entwurf für den ersten Zwischenbericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages "Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft, Bonn Oktober 1996 S.11: es geht darum, "den Auf- und Ausbau der Kommunikationslandschaft der Zukunft an den privaten Sektor zu delegieren"- einen von wenigen Oligopolen beherrschten Sektor, für den der Satz von der "Einfalt in der Vielfalt" zukünftig wohl mehr denn je gelten wird.

18 Vgl. Ronald D. Doctor, Christa V. Hardy: Democracy and Governance in Computerized Community Information Systems (14.5.1996). Ihre Untersuchung von 25 computerisierten Stadtinformationssystemen ergab:"many are themselves governed non-democratically. Eighty percent of the 25 systems examined in this research are governed by self-selecting Boards. Members, or users, have no formal voice in governance of these systems." (S.1)

19 Vgl. Jochen Zimmer: Profile und Potentiale der Onlinenutzung, in: Media Perspektiven 9/1996, S.487.

20 Am Beispiel der Usenets kalkuliert Marc Gisor: Von Anarchie bis Orwell - Die Subgesellschaft Internet, in: Martin Rost (Hg.): Die Netz-Revolution: Auf dem Weg in die Weltgesellschaft, Frankfurt 1996 S. 58, dass im deutschen Usenet etwa 50-100 Personen mit hohem Bekanntheitsgrad existierten. Dementsprechend spricht er von einer "Aristokratie, die momentan den Ton angibt". Er rechnet dazu drei Gruppen: die technische Elite, führende Personen von Organistionen, die viele Mitglieder im Internet haben, Personen, die ihre Position wegen ihrer Soziabilität einnehmen. Kristian Köhntopp bentwortet in seiner Analyse "Wer beherrscht das Internet?" (ebd., S.63ff.) seine Frage mit dem Hinweis auf vier Akteure: a) Die Telekom ("Sie diktiert die Verfügbarkeit, die Preise der Netzdienste und die Rahmenbedingungen, mit denen sich alle, die kommunizieren möchten, abfinden müssen"; b) die Internet Provider wie der DFN-Verein, EuNet, XLink, MAZ, Telekom, Comupserve usw. - "Einige dieser Provider nehmen ziemlich starken Einfluß auf ihre Kunden", doch er vermerkt auch, dass das Internet "bei einer gesunden Anbieterstruktur effektiv resistent gegen jede Form der inhaltlichen Kontrolle" (65) sei; c) die Gremien, in denen die technischen Grundlagen des Netzes genormt und beschlossen werden (Internet Standards) IETF, IANA, NIC und als d) vierte Gruppe die Nutzer: "Aber welchen Einfluß haben Anwender in ihrer Rolle als solche? Aktiv werden können sie beim Abrufen von Informationen, und dabei sind sie für die anderen Nutzer fast unsichtbar. Sie haben sicherlich einen Anteil daran, welche Informationsangebote durch hohe Nutzerzahlen populär werden, aber das ist nur eine sehr indirekte Art der Einflußnahme." (S.68). Wetzstein u.a. weisen darauf hin, dass die Mailboxstruktur selbst "für eine zentralistische Institution par excellence" steht (203). Es gibt ungleiche Handlungs- und Zugriffsbefugnisse und Netzämter wie Koordinator, Systemverwalter, Cosysop - gegenüber dem User. Die Begründung ist die Sicherung des technischen Prozesses und die des inhaltlichen: wo die Integration gefährdet wird, ist der Eingriff möglich.

21 U.S. District Court for Eastern District of Pennsylvania, Civil Action No.96-1458, June 11, 1996.

22 Koch, Öffentlichkeit, S. 160

23 Ludger Kühnhardt: Wieviel Bytes verträgt die Demokratie? Info-Gesellschaft funktioniert nicht ohne den Staat, in: FOCUS 37/1996, S.75. Der Beitrag geht zurück auf einen Vortrag Kühnhardts vor anderem Publikum und deshalb auch mit anderem Titel ("Wieviel Bytes verträgt der Staat?") auf der Konferenz "Macht Information" auf dem Petersberg am 9.9.1996 in Bonn.

24 An der "Schnittstelle" zur realen Welt zeigt sich diese Eigenschaft darin, dass die Möglichkeit der Territorialstaaten, ihre informationelle Souveränität durch Kontrolle des "transborder data flow" (TDF) aufrecht zu erhalten, gering sind und immer geringer werden. Zum Problem der Durchsetzung von Entscheidungen im Cyberspace siehe u.a. David R. Johnson, David G. Post: Law And Borders--The Rise of Law in Cyberspace, in: Release 1.0 (Juni 1996), bzw. in: Journal of Online Law (1996). Johnson und Post sind Leiter des Cyberspace Law Institute und plädieren für ein eigenes Cyberspace-Recht.

25 FAZ v. 3.2.1996.

26 Schon in den 40ern plädierte Buckminster Fuller dafür, über Tagesfragen via Telephon zu wählen. Ähnliche Vorschläge kamen von Erich Fromm, Alvin Toffler oder Ross Perot. Letzterer plädierte seit 20 Jahren dafür und praktizierte im Rahmen seinen politischen Projekts mehrfach das, was seine Gegner die ETM - Electronic Town Meeting Industry - oder auch Teletyranny nannten. Das Problem des elektronischen Wählens ist keine Frage der Authentifizierung der Wahlentscheidung: wo authentische Geldtransaktionen sicher gemacht werden können, ist es unwahrscheinlich, dass die Transaktion von Wahlstimmen nicht zureichend sicher elektronisch auf den Mythos der Wahlkabine zugeschneidert werden könnte. Wie sehr sich diese Kultur gleichwohl von der bundesdeutschen unterscheidet, zeigt sich daran, dass weder das WWW-Angebots des Deutschen Bundestages noch das der Parteien allen Abgeordneten frei gestaltbare eigene WWW-Pages zur Verfügung stellte, s. pl@net 9/96. Vor der Sommerpause 1996 beschloss der Ältestenrat des Bundestages, in den Aufbau eines Intranets und des WWW-Angebots des Bundestages 1,9 Mio DM (!) zu investieren.

27 Vgl. Hubertus Buchstein: Bittere Bytes: Cyberbürger und Demokratietheorie, in: DZfPh 4/1966 S.583-607 sowie Claus Leggewie: Netizens oder: der gut informierte Bürger heute. Ein neuer Strukturwandel der Öffentlichkeit? Chancen demokratischer Beteiligung im Internet - anhand US-amerikanischer und kanadischer Erfahrungen, Bonn 1996 mit ziemlich starker Abstützung auf Scott London: Teledemocracy vs. deliberative Democracy, in: Interpersonal Computing and Technology 2/1995 S.33-55.

28 S. auch Marie-Luise Kiefer: Massenkommunikation 1995, in: Media Perspektiven 5/1996, S.234ff.; zum folgenden vgl. Pietro Ingrao, Rossana Rossanda: Verabredungen zum Jahrhundertende. Eine Debatte über die Entwicklung des Kapitalismus und die Aufgaben der Linken, Hamburg 1996, S.41-44

29 Typisch Ester Dayson vom EFF-Board in Wired (Juni 1994): "Organized political parties won`t be needed if open networks enable people to organize add hoc, rather than get stuck in some rigid group. The Net, the very Network itself, is mearly a means to an end. The end is to reverse-engineer government, to hack politics down to ist component parts and fix it." Diese Vision der Entwertung der Macht intermediärer Organisationen ist Kernbestandteil der populistischen Cyberspace-Rethorik der PFF, welche so die Wiedereinsetzung der Identität von Herrschenden und Beherrschten verspricht.

30 "In Zukunft wird es mehre Güteklassen und dementsprechende Gebührenstrukturen für Internet-Dienste geben." Hagen Hultzsch, Telekom, lt. Focus 37/1996, S.156.

31 Patricia Mazepa. The Structure and Agency of the Internet: A Question Of Hegemony Carleton 1996


Fußnoten zu dem Vortrag Rainer Rilling:"Auf dem Weg zur Cyberdemokratie? Strukturwandel der Öffentlichkeit durch Neue Medien" auf dem Kongress "Demokratie an der Schnittstelle. Neue Medien und politische Perspektiven" der Hessischen Gesellschaft für Demokratie und Ökologie e.V. (HGDÖ) am 07.12.1996 in Frankfurt. Auf dem Netz wurde der Text weiter veröffentlicht im Netzine Telepolis. Ein darauf aufbauender Printtext ist erschienen unter dem Titel Internet und Demokratie in den WSI-Mitteilungen 3/1997 S.1943-205.

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