Die 15. Villa Rossa – für das seit 2003 – mit einer Vorläuferin sogar seit 1987 – geduldig organisierte Wochenseminar haben wir immer noch kein Wort gefunden (Ferien– oder Herbstakademie waren die spontanen Bezeichnungen). Die Villa ist jedenfalls eine Mixtur aus politischer Bildungsveranstaltung, wissenschaftlichem Workshop, politischem Diskussionsseminar und nicht zuletzt ein Beitrag zum Recht auf Denken + Faulheit. Die Villa fand statt vom 26. August (Anreise) bis zum 2. September 2017 (Abreise) – wie gewohnt in der Villa Palagione bei Volterra. Das Thema dieses Jahr: „Um * Welt * Brüche“. „15. Villa Rossa“ weiterlesen
Links:Grün
In den Postwahl-Aktivitäten hat es ziemlich lange gedauert, bis aus der Linkspartei auch politische Akzente in Richtung Grün formuliert wurden (z.B. Katja Kipping, Tom Strohschneider). Aus diesem Anlaß ein Auszug aus einem im Juni im Kursbuch 174 publizierten Text von mir („Die Linke wählen?“, S.113-123, hier: aus S.118-122), der zum strategischen Sinn dieser Option argumentiert:
Neue grüne Wendungen finden sich weithin, ob in der CDU, der SPD oder der Linkspartei. „Grüner Sozialismus“ war 2012 der Schwerpunkttitel einer Ausgabe der Zeitschrift „LuXemburg“ der Rosa Luxemburg Stiftung und brachte damit fröhlich einen Begriff auf, der in einer Partei, deren Gründungspart als „Partei des demokratischen Sozialismus“ (PDS) auftrat, völlig unüblich war. Spätestens seit den Blockadeaktionen um den G-8-Gipfel in Heiligendamm 2007 ist die Rolle der Ungehorsamen auch weit sichtbar von den Grünen auf die verschiedenen Richtungen der Linken übergegangen, wie die Castor-Kämpfe und Blockupy-Aktivitäten zeigten – die Grünen stehen mittlerweile vor allem für das breit legitimierte Feld der Anti-Atomkraft-Bewegung. Aus der linken Parteistiftung kommen radikale Kritiken von Wachstum und „grünem Kapitalismus“. Ungefähr zeitgleich publizierte die linke Bundestagsfraktion eine dickes Papier („Plan B – Das rote Projekt für den sozialökologischen Umbau“). Die Texte machten verblüffend Karriere, zu einer Konferenz Ende 2012 kamen 400 Teilnehmer. Plötzlich war von einer neuen Hinwendung sozial-ökologischer Linker zu der Linkspartei die Rede – ein Novum in der Geschichte der Nicht-Beziehung zwischen grüner und linker Partei. Tatsächlich gibt es, entgegen der allseits geläufigen Wahrnehmung der Betroffenen und großer Teile der Partei selbst ein der LINKEN offenstehendes gesellschaftliches Potenzial, das sich selbst aus der Distanz durch die Grünen vertreten sieht, faktisch aber zugleich Kernpunkte der Linkspartei-Programmatik teilt. Dieses gesellschaftliche Potenzial inkorporiert die post-68er Begehren und Errungenschaften (in nuce: Subjektautonomie, Feminismus, Ökologie, Bürgerrechtsradikalismus, erweiterter Demokratiebegriff) und ist gleichzeitig offen für die „soziale Frage“. Faktisch steht es zwischen den Grünen und der Linkspartei. In der Linken gibt es zugleich deutliche Ansätze einer strategischen Transformationsperspektive im Kapitalismus und über ihn hinaus, die in the long run auf den „Sinngenerator“ (Georg Bollenbeck) eines grün-sozialistischen Kontrapunkts zu dem (schwarz-)„grünen Kapitalismus“ setzten. Realpolitisch setzen sie nicht auf grüne Eigentümer, sondern auf die Produzenten einer grünen Produktions- und Lebensweise. Organisationspolitisch geht diese Verschiebung zusammen mit Entwürfen einer „gesellschaftlichen“ und „konnektiven“ Partei – hinterfragt also die lang andauernde Stagnation der Partei(re)form in der Linkspartei.
Bei dieser Wendung geht es also um eine linke grün-rote Option, was meint: die Linkspartei ist noch in Gründung. „Richtig Wählen“ heißt hier: eine neue Richtungsmöglichkeit in der aktuellen Umgruppierung des parteipolitischen Spektrums öffnen, ein Momentum, das auf einer Verstärkung der politischen Kommunikation zwischen der Linken und den Grünen baut und zum strategischen Ereignis wird. Hat diese Option Grund und Bestand, dann wird nicht nur die linke Partei sich verändern.
(…) Allerdings sind die kulturellen und semantischen Unterschiede zwischen den weiten und neu wachsenden grünen wie roten Feldern außerordentlich, und sie vertiefen sich. Sie repräsentieren sehr eigene politisch-kulturelle Generationen und wiegen vermutlich schwerer als die Abstände in den Berufsmustern, Kirchenbindungen oder Steuererklärungen. Rechnet man noch den Faktor Geschlecht hinzu, werden habituellen Überschneidungen und politischen Möglichkeitsfeldern enge Grenzen gezogen. Was tun, wenn die einen individualistisch-libertär und die anderen solidarisch-autoritär sind – jeweils aus guten Gründen? Immerhin: Beide Parteien haben eine mobilisierungsfähige Bewegungsbasis und eine soziale oder bürgerliche – also durchaus differente – Kultur des Öffentlichen und Protests. Programmatisch sind sie in der Sozial-, Armuts- und Ökologiepolitik, aber auch der Bürgerrechts-, Verkehrs- und Wachstumspolitik beide links von der SPD, deren gefühlt letzte Idee die Agenda 2010 war und deren strategisches Versagen beim Verteilungsthema geradezu selbstmörderisch anmutet. Die Wendung der Grünen in diese Richtung ist tentativ, labil und sozial wenig abgesichert. Dahinter stehen auch Kalküle auf unterschiedliche Wahloptionen: als Positionierung gegen SPD und DIE Linke zum eigenen Positionsgewinn vor der Wahl, als Interessenkalkül in einem rot-grünen Regierungsbündnis danach oder als Vorarbeit für eine breitere Oppositionsverankerung unter einer Großen Koalition. Andere Konflikte verlaufen quer oder sind stark. Der Grundkonflikt um die „Wachstumspolitik“ wird in beiden Parteien mit wachsender Schärfe ausgetragen. Die Antworten auf die Eigentumsfrage sind unübersichtlich. Grüne und Linke treffen sich realpolitisch – unter Einschluss der SPD und vorsichtiger Gewerkschaftstraditionen – beim Genossenschaftsthema, der Rekommunalisierung, dem solidarischen Wirtschaften und deren Mobilisierung von Lokalismus und Demokratie sowie, wenn es gut geht, erfreulicher Gleichheitseffizienz. Machtloser, aber entwicklungsstärker ist die Kompatibilität der Ansätze der linken Politik des Öffentlichen und der grünen Politik der Commons. Beide thematisieren die Dimensionen der Nutzung und Verfügung, also der Aneignung, und beschränken sich nicht auf die Öffnung von Zugängen. In der politischen Ökonomie des Eigentums freilich gehen die Wege auseinander, ebenso in der Europa- und schwerwiegend in der Gewalt- und Friedensfrage.
Linke und Grüne sind in der herrschenden Postpolitik die politischsten Formationen, denen die strategische Idee eines politischen, sozialen und letztlich auch kulturellen Blocks nicht fremd wäre. Er ist unerlässlich für eine sozialökologisch-radikaldemokratische Transformation. Mittelfristig sind Neuaufbrüche in den Gewerkschaften und eine politisch-kulturelle Stabilisierung der Bürgerproteste gegen große unnütze Projekte und die neuen Ungleichheitsdynamiken der Städte Entstehungsbedingungen einer solchen Konstellation.
Publikationen 2011
„Sozialistische Transformationsforschung“ hat sich nach langer Debatte als die Selbstbeschreibung der Arbeit des Instituts für Gesellschaftsanalyse in der RLS herausgebildet. Im folgenden ein kurzer Überblick zu meinen Veröffentlichungen in 2011, die in der Regel damit zusammenhängen und bis auf zwei Ausnahmen auch bereits zugänglich sind. Sie bearbeiten Aspekte der aktuellen tiefen Krise des neoliberalen Kapitalismus (Eigentumsfrage, Veränderungen der Kräftekonstellationen in den herrschenden Klassen und der Linken) und der Transformations- und Transitionsforschung. Mit Rückgriff auf die RLS-Tagung „Auto.Mobil.Krise“ behandelt der Beitrag „Das Auto: keine Zukunft nirgends?„ (In: Globale Ökonomie des Autos. Mobilität | Arbeit | Konversion, Hrsg. Mario Candeias, Rainer Rilling, Bernd Röttger, Stefan Thmmel (Hrsg.), Hamburg 2011, S.220-227) am Beispiel der machtvollen Politischen Ökonomie der Automobilgesellschaft die Versuche der Eliten der bundesdeutschen Leitindustrie, die Krise konzeptionell und zukunftsorientiert zu bearbeiten; die dort üblichen Methodologien des Foresight, der Zukunftsforschung und der Szenarienarbeit werden diskutiert und danach befragt, wie leistungsfähig sind – und was eine Linke von ihnen lernen kann.
Wie sich das Akteursfeld dabei verändert, diskutieren mit Blick auf die politischen Hauptströmungen in der BRD der im World Review of Political Economy 2.1. (2011) erschienene Text „The Turmoil within the Elite, the Course of the Crisis and the Left“ (abstract), eine knappe Übersichtsbilanz “ Eleven-Nine und US-Decline“ aus Anlaß des 10. Jahrestags von 9/11 und Aufsatz Wenn die Hütte brennt…, in: LuXemburg 3/2011 S.134-139, dessen Langfassung „Wenn die Hütte brennt… ‚Energiewende‘, green new deal und grüner Sozialismus“ mittlerweile in der Zeitschrift Forum Wissenschaft 4/2011 S.14-18 und auch auf der Site des Forum Demokratischer Sozialismus erschienen ist, auf dessen Akademie er im Herbst 2011 gehalten wurde. Wie zuvor Mobilität wird hier Energie unter dem Aspekt der miteinander konkurrierenden und umkämpfte strategischen Transformationpfade und -politiken behandelt und wie Transformations- bzw. Transitionsmanagement im bemerkenswerten Energiewendepapier des Rates für Nachhaltige Entwicklung und im Gutachten „Welt im Wandel. Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation” des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU), Berlin 2011 420 S. [Zusammenfassung, Vollversion) konzipiert werden. Vorschlagen wird hier auch, neben der mittlerweile auch einigermaßen untersetzten Formel vom „Demokratischen Sozialismus“ auch den in der Linken völlig unüblichen Begriff des „grünen Sozialismus“ zu verwenden – eben die große grüne Frage und nicht die im üblichen grünen Milieu gängige kapitalistisch halbierte grüne Frage zu stellen. Der Beitrag „Linke & Commons & Öffentliches“ auf der Com’on-Tagung am 10.12. 2011 in der RLS (aktualisierte Fassung von The Commons the Public and the Left , Oktober 2011) versucht, hier Brücken zwischen roten und grünen Paradigmen zu schlagen. Wie tief hier freilich die Differenzen sind, zeigen die langen Wege der Eigentumsdebatte im Umfeld der Auseinandersetzung um das Program der LINKEN, die ein Beitrag „Neues zur Eigentumsfrage?“ in: Wolfgang Gehrcke (Hg.): “Alle Verhältnisse umzuwerfen…”. Eine Streitschrift zum Programm der LINKEN (Köln 2011 S.83-98) nachzeichnet. In gewisser Weise auch eine Reaktion auf die Situation der LINKEN in 2010/11 (Stichwort „Führung“) ist der gemeinsam mit Christina Kaindl verfasste Aufsatz „Eine neue “gesellschaftliche Partei”? Linke Organisation und Organisierung“ in: LuXemburg 4/2011 S.16-27 (noch nicht online).
Ein erster Versuch, das Feld einer sozialistischen Transformationsforschung zu skizzieren, ist der Eröffnungsvortrag auf der 1. Internationalen Transformationskonferenz des IfG der RLS am 13.10.2011 („Warum sozialistische Transformationsforschung?„), von dem auch eine Videodokumentation vorliegt. Detaillierter vor allem zur Methodik der Zukunftserfassung der Einleitungsbeitrag „Etwas, was nicht geschehen ist oder womöglich nie geschehen wird“ auf der Villa Rossa 9 am 22.8.2011, publiziert auf mehring1 am 1.9.2011. Auf dem Blog des IfG sind noch rund zwei Dutzend Reihe kurzer Annotationen und Einträge veröffentlicht worden.
Energiewende & Ethikkommission
Der bekannte Linkspawlow, dem die politische oder soziale Komposition eines Organs ausreicht, um auf zwingende, also schauderhafte Hervorbringungen zu schließen, traf jüngst ja auch vielfach die von der Bundesregierung eingesetzte Ethik-Kommission, die eigentlich der Regierung eine praktische öffentliche Brücke zu den wahlpolitisch wirksamsten Ufern zusammenzimmern sollte. Die Mitgliedschaft der Töpfer, Hauff oder Beck irritierte die Freunde des Palowismus da selten.
Tatsächlich aber war die Reaktion von Greenpeace oder auch dem BUND differenzierter. Sie vermerkten, dass Lage und AutorInnen da ein bemerkenswertes Dokument über Wandel, Veränderung, Transition, Transformation hinterlassen hatten. Es gibt gerade der antipawlowschen Linken Anlaß, über seine Methodologie nachzudenken.
Öl
und was aktuell daraus folgt veranschaulicht eine bemerkenswerte Infografik
Ein trockenes Neues Jahr!
Für den Staatsfisch!
Die Junge Welt vom 23.7.09 führte ein Gespräch mit Carsten Preuß, Initiator einer öffentlichen Petition gegen die Privatisierung von Gewässern – die zwar trotz großer Resonanz in den letzten Tagen – seit vorgestern kamen 7000 Unterschriften hinzu! – auf der Kippe steht, aber dazu beigetragen hat, dass der schleichende Verkauf von Seen vor allem in Ostdeutschland zunehmend ein Thema wird. Zwei Tage Zeit bleiben! Im Moment gibt es über 20 000 Unterschriften.
P.S.: ein Blick auf die verantwortliche Einrichtung lohnt sich…
PPS: 24. Juli (nach Fristablauf): Auch wenn mit 28 612 Unterschriften die eigentliche Zielsetzung deutlich verpasst wurde, mit 50 000 Unterschriften eine öffentliche Behandlung im Bundestagung zu erreichen, ist das Ergebnis dieser Unterschrifteninitiative ein großer Erfolg. Nicht nur gehört sie zu den wenigen Petitionen mit einer ungewöhnlich großen Resonanz, es hat sich auch gezeigt, dass eine solche Aktion in ganz kurzer Zeit eine außerordentliche Dynamik erreichen kann – vor allem wenn über elektronische Medien eine entsprechende Verbreitung erreicht werden kann! In der letzten Woche gab es täglich Tausende von Unterschriften, wobei der Petitionsserver des Bundestages offenbar überlastet war. Mit einiger Wahrscheinlichkeit kann man davon ausgehen, dass bei einer Fristverlängerung nur um eine Woche die 50 000 erreicht worden wären.
MMM
Neocon`s Klima
Das American Enterprise Institute (AEI) ist zusammen mit Heritage der wichtigste rechte Think Tank in den USA. Über 20 Mitglieder des AEI wechselten in die erste Bush-Administration über, für zahlreiche Projekte der Bush-Administration (bis hin zum Krieg gegen den Iran) entstanden im AEI die Vorlagen. Laut Guardian vom 2.2.2007 bezahlt das AEI nun jenen Geld (nämlich 10 000 $), die eine Kritik der eben publizierten UN-Klimastudie schreiben. Von ExxonMobil bekam das AEI übrigens 1,6 Mio $ gespendet und ein vormaliger Chef des Unternehmens ist stellvertretender Vorsitzender des AEI-Aufsichtsrates. Der Worldwide Giving Report 2005 von ExxonMobil ist ein Blick wert.
Demografie & Nachhaltigkeit
Zur Publikation gab es Mitte letzten Jahres einige Präsentationen. Mittlerweile ist das Buch „Unterm Strich“ von den „Neu“- und „Aktuell“-Seiten des oekom-Verlages bereits wieder verschwunden und auf dem Weg in die mediale Vergessenszone. Wie lange die paar Schnupper-Leseproben des mitschreibenden Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung noch zugänglich bleiben wird man sehen. Die Zweitautoren des Instituts für Internationale und Europäische Umweltpolitik haben auf eine solche Anpreisung gleich verzichtet. Auch wenn die Unterzeile „Erbschaften und Erblasten für das Deutschland von morgen“ lautet, wäre eine solche Beerdigung wirklich verfrüht. Der von Volker Hauff und Günther Bachmann vom Rat für nachhaltige Entwicklung herausgegebene Band ist nüchtern und sehr verständlich geschrieben, wirklich informationshaltig und ein gutes Beispiel dafür, wie aus der empirisch gehaltvollen Beschreibung nicht nur Fragen, sondern auch Problemlösungen entwickelt werden. Aber eine Reihe von mitlaufenden Zielvorstellungen sind nicht bloß problematisch, sondern schlicht inakzeptabel. Worum geht es?