Ziemlich in der Bredouille ist der Titel meines Beitrags, der als Online-Artikel zum Sozialismus-Dossier der Tagung „über:morgen“ der RLS, Berlin September 2018 erschienen ist und der Eigentümlichkeit nachgeht, dass wir es beim Kapitalismus mit einem System zu tun haben, das zur Bearbeitung seiner ständig neu aufbrechenden vergangenen und gegenwärtigen Krisen ununterbrochen neue Zukünfte ins Spiel bringt. Sehr interessant in diesem Kontext die aktuelle Studie von Boltanski/Esquerre (2017), die Wertsteigerung durch Vergangenheitsreferenz als zentrale ökonomische Zukunftsstrategie diagnostizieren. Eine permanente Nebenwirkung ist dabei die – sicherlich in aller Regel unbeabsichtigte – Öffnung der Zeit-Räume oder politische Möglichkeitsfenster für durchaus radikale Transformationsoptionen, die eine Linke im Blickfeld haben muss.
Warum der Koalitionsvertrag der GROKO-Regierung komplett hinter dem Niveau der Schweizer Rückversicherungsgesellschaft zurückbleiben wird, das diese schon 2004 erreicht hatte
Während die aktuelle Ausgabe des Wirtschaftsmagazins brand eins mit der Überschrift „Der Plan war scheiße“ einen Uralttrend bedient und dann auch nur über Strategie schreibt, liefert OXI 10/17 für 3.50 € sehr trocken einen „Schwerpunkt Planwirtschaft“ mit gleich 17 knappen Artikeln. Es geht um Plan & Markt, Umbau, EEG, Simulationen, Planungspolitik, Staat & Silicon Valley, Begriffspolitik, Geld, Chicago Boys, Big Data, Allendes Cybersyn, China & Planung, Ressourcenregelung, Futurium und zu guter letzt um Paul A. Baran. Mein Beitrag heißt „Kommende Zeiten. Wir wir Zukünfte machen und nehmen. Über Planungspolitik und die Gegenwart des Morgen.“ Dort auch Näheres über die Swiss Re.
Man kann jetzt noch eine schüttere fußnotengespickte Artikelmenge in Sachen Planung aus „Z“, dem „Argument“ oder Prokla aus den letzten zwei Jahrzehnten hinzulegen und eine gute Handvoll Bücher zur DDR-Planwirtschaft. Das reicht für den Anfang: der Plan ist fast immer scheiße, Planung nicht.
otherland
die ziemlich schließliche sf-buchhandlung („Im Otherland stehen alle Science Fiction-Romane, die derzeit auf Deutsch lieferbar sind“), hat seit zwei wochen auch ein blog, schön – und auch gleich eine kurze Wanderung durch Consider Phlebas von Iain Banks, der jetzt gestorben ist.
Iain Banks
Iain M. Banks, einer der beeindruckendsten SF-Autoren der Gegenwart, ist an Krebs erkrankt und teilte Details, eine vorzeitige Heirat, die rasche Fertigstellung seines letzten Buches und den absehbaren Zeitpunkt seines Todes mit.
TOP?
Meine absolute SF-Lieblingsbuchhandlung ist natürlich die Otherland in der Berliner Bergmann 25, die sich jetzt eine sehr schöne und funktionalere Website zugelegt hat. Toll vor allem die Neuen Englischen und Alten Klassiker, en masse. Und eine Menge outsider. Zur Website gehört dann auch eine Science Fiction Top 100 (eine irre Unart des Genres, dauernd diese Formel1-Kisten) und da sind 100 Schreibende von Swift bis Dath aufgezählt. Naja, darunter 8 Frauen. Das erinnerte mich an den Guardian, der die SF ziemlich pflegt (zum Beispiel ein ungewöhnlich informatives Porträt von China Miéville brachte) und vor einiger Zeit 500 Vorschläge auf die Frage nach den UK „best science fiction books“ bekam. Darunter waren 18 Frauen (4 % oder so). Was uns das sagt? Das hat ausreichend Joanna Russ gesagt.
Simmons out
Flashback ist das letzte Buch von Dan Simmons, durch das ich mich gequält habe – so ein reaktionärer Mist. An seine Stelle in meiner kleinen Blogroll habe ich nun Iain Banks aufgenommen, dessen Entwurf – oder besser: Utopie – einer reichen Gesellschaft (der Kultur) seinesgleichen sucht und auch sein ganzer Space Opera – Kram mitsamt dem running gag der irren Raumschiffnamensgebungen ist nicht übel. Es lohnt sich, nicht nur den neuesten in deutscher Sprache erschienen Band „Krieg der Seelen“ zu lesen. Hier ein Einstieg in die Welten des Iain Banks.
Villa Rossa
„Praktisch wäre es, wenn die Linke mehr über die Zukunft wissen würde“ lautete der diesjährige Artikel der – neunten! – Villa Rossa in Bildungszentrum Villa Palagione, rund 20 Minuten Fahrtzeit von Volterra entfernt. Bekanntlich beansprucht die Linke eine Menge Zukunftskompetenz – ihr gesamter politischer Ansatz beruht darauf. Beim näheren Hinsehen erwies sich das erwartungsgemäß als reichlich kompliziert. Ob es um die Auseinandersetzung mit hegemonialen Zukunftskonzeptionen, Utopien oder „Voraussichten“ , um die in der Regel (und gerade bei der Linken) stabil gestrickten Meinungen in Sachen Produktivkraft- oder Kapitalismusentwicklung („Varieties“), um die Reichweiten des Wohlfahrtsstaats und die Krisen der Gesundheitspolitik, die tiefgreifenden ökologische Transformationen, den aktuellen Wandel des Staates, um Planung oder die Zukünfte Chinas, um philosophische Zukunftsreflektion oder die gegenwärtigen Umbauten des Parteiensystems ging – die früher so fest gegründete Zukunftsgewißheit ist dahin. Das war nichts neues, aber die systematische Unsicherheit bei der Bearbeitung von Entwicklungen, Trends, Szenarien, Abschätzungen, „Road Maps“ oder Visionen und den dazu gehörenden Politiken war doch frappierend. Ein Zugriff, der über die Traditionsrede vom „Sozialismus“ hinausgeht und sie durch ein breites Feld von Zukunftsoptionen und -zusammenhängen ersetzt, ist notwendig. Einige Beiträge der Tagung finden sich auf der Website der veranstaltenden Stiftung GegenStand bzw. dem mehring1-Blog der RLS.
Praktisch wäre es, wenn die Linke mehr über die Zukunft wüsste!
Auf den ersten Blick ist seit den 1960er und 70er Jahren, als ein Schub der Prognosen, der„Zukunftsforschung“ und der Planungs- und Steuerungskonzepte den Beginn des langen Endes des Fordismus begleitete, mit der nachfolgenden marktradikalen Zeit auch der Zugriff auf die Zukunft dem Markt und seinem homo oeconomicus übergeben worden. Ein genauerer Blick zeigt, dass das nicht zutrifft. Seit Anfang der 90er Jahre sind die strategischen Potentiale und Apparate der Zukunftsbearbeitung im Forschungssystem, den Konzernen und Staatsapparaten kontinuierlich und in der Bilanz massiv ausgebaut worden. Das betrifft besonders deutlich die klassische Technik- und Produktivkraftforschung, die unter der „foresight“-Etikette intensiviert und internationalisiert wurde. Die neue Prominenz der Umwelt- und Energiefragen, die ein Großteil der komplexen technischen Ressourcen an sich ziehen, ist gut zu erkennen – ein Blick auf die Website des BMBF genügt. Auch Mobilität, Ernährung, Gesundheit, Stadt sind profitable Themen. Andere große Themen sind weit weniger präsent – aber ihre Zukunftsrelevanz steht außer Frage.
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District 9
lohnt sich absolut, spätestens wenn er im September hierzulande in die Kinos kommt – schon nur, weil er die Weltkulturen des Rassismus und der Science Fiction progressiv verknüpft. Rassistische SF gibts massig, aber faktisch antirassistisch gewendete SF ist echt die Ausnahme.
Weihnachten
Gerade noch rechtzeitig bekam ich „Der Tag, an dem die Männer verschwanden“.
Es ist was faul
Der beste, einfach großartig komische Fantast – Jasper Fforde – hat schon 2004 Something Rotten geschrieben, Thursday Next Nr.4; endlich auf deutsch und kongenial übersetzt: Es ist was faul, dtv premium. Wunderbar. Und wieder rettet Thursday die Welt vor den Goliath-Monstern und Pickwicks Sohn ist ein unangenehmer Bursche! Na gut, das letzte Drittel zerrt sich.
Wunderfrauen
Maria D. DeRose hat eine lesenswerte Dissertation geschrieben: “SEARCHING FOR WONDER WOMEN: Examining Women`s Non-violent Power in Feminist Science Fiction” die seit 2006 auf dem Netz ist.
Fantastic Metropolis: Fifty Fantasy & Science Fiction Works That Socialists Should Read
Es wird Zeit, China Mievilles Empfehlung vom Januar 2002 wieder in Erinnerung zu rufen – schließlich wird immer deutlicher, dass ganz im Unterschied zur deutschen SF die britische SF auf den Neoliberalismus (sicher: nicht der Kohl-Schröder-Fischer-Variante, sondern der Dame Thatcher) mit einem im Genre völlig ungewöhnlichen und geradezu einmaligen Linksschwenk reagiert hat: “Fantastic Metropolis – Fifty Fantasy & Science Fiction Works That Socialists Should Read“. Die neueren Texte von China Mieville, Charles Stross oder Ken McLeod gehören natürlich dazu.
DDR legt neues Programm zur Demokratisierung der USA auf
Berlin – Isolation nach außen und Schwächung von innen: Mit einer Doppelstrategie möchte der Staatsrat “neue Anstrengungen” unternehmen, um in den USA reformwilligen Kräften zu mehr Einfluss zu verhelfen. Unabhängig von den bislang angedrohten Sanktionen gegen das Weiße Haus in Washington kündigte der DDR-Außenminister Kurt Fischer vor der Volkskammer an, zusätzliche 63 Millionen Euro (etwa 75 Millionen Dollar) für die Demokratieförderung in den USA ausgeben zu wollen. Die entsprechende Summe solle nachträglich im Rahmen des Haushalts 2006 bei der Volkskammer beantragt werden. Bislang waren im Etat lediglich 8,4 Millionen Euro zur Unterstützung von Dissidenten, Atheisten, Bürgerrechtlern und Gewerkschaftsführern vorgesehen. „DDR legt neues Programm zur Demokratisierung der USA auf“ weiterlesen