Rethinking Marxism (3): Fantasies of Communism…

Debattiert wurde über den Neuen Imperialismus – und Zaghaftigkeit beim Aufrufen des Begriffs war selten zu spüren! Das „Neue“ am Impeiralismus siedelten viele Diskutanten im Bereich der Finanzen und ihrer Verteilung, in der Globalisierung der Mehrwertproduktion und…in der politikstrategischen Aufwertung der politischen Demokratie an. Diese wurde debattiert als praktikabelstes Medium zur Sicherung des Rückflusses der Mittel in das Zentrum einer ansonsten deterritorialisierten Produktion und als adäquates Instrument einer kulturellen Verankerung der Eigentumsrechte. Die globalisierte Präsenz der Zwangsjacke der Eigentumsrechte ist die Basis für politische Integration durch Demokratie; über die offenbare Abnahme der Akzeptanzproduktion und Integrationsleistung politischer Demokratie wurde kaum verhandelt. Wer konkret in den USA im Machtzentrum des amerikanischen Imperialismus steht, war Gegenstand einer umfangreicheren Seminarserie, zu der sich u.a. Doug Henwood, Jonathan Nitzan oder Bob Jessop einfanden. Lag hier der Akzent stark auf der die Tagung immer noch stark prägende Politische Ökonomie, so ging es in anderen Workshops um postkoloniale Zugänge zur Machtanalyse – eine Kombination, die in Deutschland ihresgleichen sucht. Themenpunkte, die im Gedächtnis blieben, waren etwa:

  • wer auf engstem ökonomischen Feld Machtverteilungen analysieren will, muss ab einer (jeweils zu klärenden) Größe die Differenzen in der Akkumulation zugrundelegen; Marc-André Gagnon entwickelte dies am Beispiel der US-Pharmaindustrie: der amerikanische Anteil am Umsatz beträgt hier 42 %, an den FuE-Ausgaben 49 %, an der Produktion 33 %; die US-Firmen halten 54,4 % am Kapital der 16 größten Firmen; ihr Wachstum ist mittelweile weitaus mehr auf Mergers and Acquisitions zurückzuführen als auf Produktionssteigerungen, eben auch im Vergleich zur US-Industrie insgesamt; wichtige Barrieren (Patentregelungen, FuE-Kosten) wurden geschleift; während die Gewinne in der US-Industrie 1981-2005 von 5 % auf 7 % im Durchschnitt stiegen, gab es in der Pharmaindustrie eine Zunahme von 8,5 % auf 17,5 %.
  • Donnell wies auf die Installierung neuer Machtrepräsentanzen im internationalen Ölkapital hin – die Internationale Energie-Agentur IEA, die er gleichsam als Zentralkommittee des globalen Ölkapitals bezeichnete, in dem US-Firmen keineswegs unbestritten hegemonial operieren könnten [Donnell wies auf die 3 Billionen $ hin, die laut einer Studie von 2004 in den nächsten zwei Dekaden mobilisiert werden müssten, um die wachsende Nachfrage nach Energie aus Öl befrieden zu können – was für ihn ganz wesentlich den Irakkrieg erklärte, da die Expansion weit mehr Kapital verlange, als aus den bislang üblichen Quellen durch die Ölindustrie mobilisiert werden konnte); auf die Ölfirmen entfielen 1993 3 % und jetzt 15 % des globalen Profits!
  • während die ständigen Hinweise auf das doppelte Defizit im Staatshaushalt und Außenhandel in aller Regel als Argument für einen Decline der internationalen Macht der USA herhalten, wurde auf die große finanzielle Arbitrage hingewiesen: die USA leihen sich Geld zu relativ niedrigen Zinssätzen und investieren es mit hohen Zinssätzen in Hochtechnologiesektoren im Ausland. Wer bei diesem Modus mithalten kann, hat gute Chancen beträchtliche Machtrenten im Politikfeld der globalen Bourgeoisie.
  • Die klassischen Quellen der Analyse der Ruling Class wie etwa das Social Register dünnen angeischts der Machtrealität langsam aus – Henwood wies darauf hin, dass dort heute nur noch 25000 Familien (und nicht mehr 125 000) aufgeführt werden, von denenen 27 % in New York, 11 % in Pennsylvania und 8 % in California säßen; das CFR sei weiterhin eine wesentliche Planungs- und Reflektionseinrichtung der herrschenden Klasse, doch es stünde nicht mehr im Zentrum; wer, so Henwood, ersetzt die WASP? Diese Frage ist weiter offen – und: geht es nur noch im die rich und nicht mehr um die ruling class? Für ihn ist aber offenbar der Schwenk zu den Finanzmärkten und die Finanzialisierung die wesentliche Veränderung in der Machtstruktur der USA
  • Die Debatte um die Politik der Bush-Administration brachte zuweilen ziemlich flotte Formulierungen mit sich („der Schwenk zum Sicherheits-, Militär- und Imperialstaat habe den „kapitalistischen Staat“ in einen „Staat im Kapitalismus“ transformiert); die Administration als Bonopartismus zu bezeichnen war noch eine der eher zurückhaltenden Formulierung. Bei nicht wenigen war die Tendenz deutlich, die Reichweite des Politischen gegenüber der Durchdringungskraft („Pervasivness“) des Ökonomischen stark zu machen; Jessop demgegenüber entwickelte weitaus überzeugender sein Konzept der drei Modi/Phasen des Neoliberalismus („kreative Zerstörung“, „Rollback“ -> z.B. Thatcher oder Reagan, „Roll Forward“ -> z.B. Blair oder Schröder) und hob die Differenz zwischen dem Liberalismus „at home“ und dem internationalen Agieren des Liberalismus hervor.

Auch wenn es kaum möglich ist, schon angesichts der Größe der Konferenz eine gerechte Beurteilung abzugeben, so waren zumindest die zweite und dritte Abendveranstaltung eine Enttäuschung. Glänzend die Idee, „Imperialism and the Fantasies of Democracy“ zusammenzubringen – doch die Redner und auch die Debatte ignorierten das eigentlich interessante Wort hier: die Fantasien der Demokratie heute. Und mutig das Ansinnen, den Kongress mit der Absicht zu beschließen, neu über „Kommunismus“ nachzudenken („Rethinking Communism„). Bis auf Cullenberg, der sein in der Zeitschrift bereits entwickeltes Konzept eines „expanded communism“ kurz andeutete, blieb das Nachdenken darüber im Kern aus. Kojin Karatani sprach 60 Minuten über den Staat, Susan Buck-Morss rund 15 Minuten über – Nomos, von Carl Schmitt. Beide Themensetzungen sollten aber als Aufforderungen bleiben – vielleicht auch über ihre Kombination, die Fantasies of Communism nachzudenken und öffentlich zu handeln.

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2 Antworten auf „Rethinking Marxism (3): Fantasies of Communism…“

  1. ja, das war ja ein Grundproblem: nach Karatani war es fast unmöglich, noch gut über die Runden zu kommen :-(( Es ging nicht mir nicht darum, dass der Beitrag uninteressant gewesen wäre, er war nach dem ersten Vortrag eine echte Erholung; nur ist mir die Sinnhaftigkeit der langen Carl Schmitt – Exkursion beim Rethinking Communism entgangen. Natürlich würde ich den Beitrag gerne lesen – ist er schon publiziert?

  2. whoops, oh weh – mein blog (nicht ich! es war das böse Blog, ganz bestimmt!) hat eben leider den Kommentar von Susan Buck-Morss mitsamt 53 spam-Kommentaren gelöscht, auf den ich oben geantwortet habe… hier ist er aus dem Archiv: [“ so uninteressant war mein Vortrag nicht, wenn ich die Zeit hätte ihn vorzu lesen…wenn sie sich interessiere, gebe ich ihnen….über C. Schmitt ist es nur teilweise…um zo argumentiern, dass die Öekonomie nicht abgetrennt von der Politik sich denken lässt…“]

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