Dieter Segert: Das 41. Jahr. Eine andere Geschichte der DDR, Böhlau, Wien u.a. 2008
gelesen, denn es war klar: sie sind lesenswert. Der Text balanciert fruchtbar zwischen Analyse und Erfahrungsgeschichte, zuweilen fast zu ruhig und abgeklärt, die Turbulenzen der rasenden Umbruchszeit werden so verlangsamt, wirken nicht selten geglättet und sehr unaufgeregt. Diese Nüchternheit ist vielleicht der Preis für eine Unabhängigkeit, auf die Segert so Wert legt, denn sie beansprucht immer wieder sein Leben und seine Position nach diesem 41. Jahr und prägt seinen Blick zurück. Und dieser richtet sich auf die explosive Rolle der Intellektuellen im letzten Jahr der DDR, vor allem vieler linkspolitisch agierenden Wissenschaftsintellektuellen in der Humboldt-Universität und darüber hinaus, deren Zeitzusammenhang oft die Jahrzehnte überdauerte (die Eigentümlichkeit, dass in der Deutschen Demokratischen Republik nicht 7, sondern vermutlich höchstens 3 Kontakte nötig waren, um jeden zu kennen, kommt hier zuhilfe… ) und die politisch mehr bewirkten als viele zugereiste äußerst wichtige Abwicklungsrentner, die sich über das Hochschulsystem der DDR hermachten. Wer die seit Jahrzehnten dröhnenden Reminiszenzen der einschlägigen 68er nicht mehr sehen und hören kann, der kann sich bei dieser Lektüre erholen. Schließlich waren die Einen nahe an der Macht und am Ende weit entfernt von ihr, während die Anderen weit weg von ihr waren und sich am Ende in sie verwandelten, im Regelfall jedenfalls.