Kuba und die Linkspartei

Die hier bereits kurz debattierte Auseinandersetzung um Kuba hat die dort vorausgesagte Sprengkraft. Der Parteivorstand der Linkspartei.PDS fasste am 27. Februar 2006 einen Beschluß. Er heisst: Solidarität mit Kuba. André Brie hat sich, erwartungsgemäß, in einer Weise geäußert, die als weitere Zuspitzung verstanden werden musste (”Die PDS hat kein Verhältnis zu den Menschenrechten“). In mehrfacher Hinsicht ist der Beschluß des Parteivorstandes ein Problem.

  • * Schon fraglich ist die Überschrift: “Solidarität mit Cuba”. Sie verwechselt das Verhältnis von Cuba zu den USA mit dem Verhältnis der politischen Führung Cubas zu wie auch immer gewichtigen Teilen der Bevölkerung. Sie unterstellt, dass Solidarität mit Cuba gegen die Politik der USA (oder der EU) erfordere, das Verhältnis zwischen der politischen Führung Cubas und der Bevölkerung nicht zu kritisieren – weil so die politische Führung (als Repräsentant der Position Cubas gegen die USA) oder gleich die Position des ganzen Landes / Staates geschwächt werde. Das aber ist sicherlich problematisch.
    * Der Beschluß formuliert weiter uneingeschränkt zustimmende Aussagen über den sozialistischen Charakter Cubas, die in der Linkspartei.PDS und in der WASG wahrscheinlich mehrheitsfähig sind – mehr nicht. Derlei Aussagen werden ohne Not gemacht und sind nicht hilfreich in einer Situation, wo die Differenzen und Auseinandersetzungen im Parteibildungsprozess ohnehin zunehmen und sich bei den Landtagswahlen wirklich deutliche Niederlagen abzeichnen. Nun hat sich der Vorstand dieser Partei das bestimmt auch gedacht und geglaubt, mit einer einstimmigen Erklärung eine imaginäre Einheit vorspiegeln zu können und so zu verhindern, dass es auf dem nächsten Parteitag zu einer Auseinandersetzung kommt. Tatsächlich aber ist diese Vorspiegelung gescheitert und es wird mit Sicherheit den Versuch geben, eine solche Auseinandersetzung zu führen.
    * Weiter ist hochproblematisch, dass hier der Beschluß sagen wir: nur ein sehr schwaches “Bekenntnis” zu den politischen und den individuellen Menschenrechten formuliert, obwohl er doch ansonsten großzügig mit Schwüren und Bekenntnissen ist. Die Kontrahenten des Linksprojekts dürften sich die Hände gerieben haben – wirklich wichtiger aber ist, dass die Entwicklung und Vertretung einer tatsächlich libertären Sozialismuskonzeption (auch wenn sie in der sozialdemokratischen Verkleidung eines “demokratischen Sozialismus” auftritt) der entscheidende strategische Überlebenspunkt für eine Linke ist, die mehr sein will als eine radikalgewerkschaftliche und populistische Interessenvertretung. Äußerungen in Sachen Sozialismus sollte man Programmen und den dazugehörigen Parteitagen überlassen – ansonsten ist das Sache der Menschen, die sich als Individuen oder Gruppen zur Frage des Sozialismus verhalten wollen.
    * Zwar nicht einmalig, so aber doch extrem ungewöhnlich und vollständig unpassend ist der Grundtatbestand, dass sich hier ein Parteivorstand über das Verhalten einzelner Parlamentarier äußert; die Europagruppe der PDS ist ohnehin strukturell gespalten und dort gibts permanent Krach und Intrige. Faktisch wird hier von einer Parteiführung eine Unterscheidung gemacht, was richtige und was falsche Positionen in der Politik sind. Dies ist deshalb so problematisch, weil in der jetzigen politischen Situation es prinzipiell fraglich ist, die Legitimität der unterschiedlichen Positionen zu Cuba anzugreifen und sich für eine zu entscheiden, der dann die Auszeichnung” sozialistisch”, “links” und “richtig” zukommt. Vielmehr gehörte zur Idee einer anderen Parteiform der Linken, dass sie mit solchen sehr weitgehenden Divergenzen auf einem Politikfeld (das für nicht wenige auch ein ganz zentrales Feld sein mag) lebt und demokratische Formen bzw. Verfahren findet, die Widersprüche, die hier existieren, zu bearbeiten.
    * Und endlich ist die Sprache dieser Resolution wirklich eine ziemliche Zumutung. Vollgestopft mit Substantivierungen, Gewichtigkeiten, bedeutenden Formulierungen und betonten Unterscheidungen. Aber das indiziert bestenfalls, welche unglückliche Anstrengung man sich hier zumutet.
  • Also: eine grauslige Entwicklung. Nur wenn “Solidarität” dort verankert wird, wo sie hingehört; wenn keine Linienverpflichtung in Sachen Sozialismuskonzeption vorgenommen wird; und endlich ernsthaft an einer “modernen” Parteiform für das, was viele vollmundig “neue Linke” nennen, gearbeitet wird, kommt man aus diesem selbstgemachten Dilemma wieder heraus.

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