Kartografien der Macht 3 [Wirtschaft]

Wieder anders die Karten der Wirtschaftsmacht. Konzerne bilden Ressourcen (Standorte, Rohstoffe, Energie wie Atom und Öl, gebundenes Kapital, Warenzeichen und Ikonen, Aufmerksamkeit und Arbeitskräfte), Märkte (Geld- und Warenströme, Konkurrenten) und die Relationsgrafiken ihrer Profitwirtschaften ab – also die Landschaften des Kapitals und seiner Imperien des Eigentums. Ihre Karten repräsentieren die quantitativen Dimensionen der Verteilung und Bewegung von Eigentum und Kapital. Sie operieren in den Mustern der Konkurrenz und visualisieren die Profile der Standorte. Es geht um Wertschöpfung und Bonitäten. Wer also an die Karten des Kapitals denkt, wird an erster Stelle auf die Grafiken treffen, welche die Statistiken ökonomischer Daten wiederspiegeln: Bruttosozialprodukt, Beschäftigung, Handel, Einkommen, Finanzdaten, die Börsenkarten, Warenströme, Gewinngrößen, -relationen und faktoren. Sie spiegeln also den Fluß und die Verteilung des Kapitals und des Eigentums wieder [z.B. die Chicago Busniess Market Facts Interaktive Maps oder die scharfe Property Shark Website]. Sie sind zugleich Karten der Macht und werden von dieser gemacht. In der lassen sie nicht erkennen, was das Zeichnen von Karten bedeutet: Repräsentation, also Selektivität, Auswahl, Weglassen, Hervorhebung, Übertreibung, Vereinfachung und Kombination.

Nun produziert das Kapital nicht nur den Fluß von Gütern und Geld, sondern auch von Zeichen und Erzählungen. Vor allem ist jeder Schritt der Expansion verbunden mit neuen Karten und Zeichen, die seine neuen Repräsentanzen belegen. Seine Presseabteilungen infiltrieren die Medien des Neuen, Websites der Unternehmen präsentieren Idendität. Ihre Werbung und ihr Marketing binden sich an neue Märkte. Werbung lässt sich als symbolisches Mapping und als Konstruktion einer visuellen Konstellation verstehen – auch wenn es hier um Markenzeichen und um Verkauf geht. Die Karten der Wirtschaftsmacht geben meist solchen Erwägungen Raum: sie müssen Wiedererkennbarkeit durch die Präsentation von Profitabilität, unverkennbar eigenen Stil und Logo sichern und eine eigene große Erzählung andeuten. Räumliche Konstellationen oder konkrete geografische Bezüge haben im Feld der Kapitalperspektiven differenzierte Rollen. So bleibt in der medialen Alltagspräsentation des Kapitals dieses gleichsam unsichtbar, es ist ein mythisches, utopisches „gutes“ und „wohltätiges“ Kapital, ein dekontextualisiertes und deterritorialisiertes (also zumindest global präsentes) Kapital. Im globalen Raum gibt sich das Kapital hilfreich: beim Übergang in die Moderne, bei Katastrophen, bei individuellen Problemen. Epische Projekte monumentalen Zuschnitts werden da angegangen, die Anrufung des Spirituellen schwingt dabei oft mit. Es präsentiert Weltbilder des Fortschritts und der Kontrollfähigkeit, des Wandels und der Stabilität. Es ist Träger erfolgversprechender Ideen. Es sind Versprechenskarten. Seine Veränderung im Raum geht nach außen und nach oben: Expansion und Aufstieg sind die Bewegungen, die es vorführt. Für Raumeroberung und –kontrolle stehen die Netzwerkgraphiken der business-charts, in denen die Verflechtung und Verdichtungen der interlocking directorates dokumentiert werden.
Und es bewegt sich ökonomisch eben, mit der eigenen Zeitrationalität des Verwertungsflusses (Mobilität, Logistik, Just-in-Time, Raum-Zeit-Kompression etc.). Das visuelle Marketing der internationalen Konzerne in den Werbebotschaften des Fernsehens und Kinos geht dabei klar auf Abstraktion: keine Bindung an Orte, also serielle, delokalisierte globale oder Nicht-Orte, die keine bekannte Geographie haben. Da gibt es austauschbare serielle Geschäftstürme, wichtige Männer (Power-Broker des Wandels, verantwortungsschwere Manager, mobile klassenindifferente Aufstiegsnomaden, weißgekleidete Technikbeherrscher), Hochtechnik, Logos und exotische Orte, wo Frauen und wilde Landschaften kolonial als affektiver Hintergrund konfiguriert werden, zuweilen auch national iraq_oil_2003.jpgkonnektierte architektonische Zeichen (Freiheitsstatue, Eiffelturm, Brandenburger Tor). In diesen Netzwerken der Krisenlosigkeit ist die dunkle Seite des Kapitals versteckt: Ungleichheit, gar nicht exotische Armut, Gewerkschaften, Ausbeutung, Krieg. Die Stile der visuellen Raumpräsenz des Kapitals haben zugleich viel zu tun mit der Verortung und Bewegung seiner verschiedenen Abteilungen. Die Selbstdarstellung der Extraktionsindustrien (Rohstoffe, Öl, Energieproduktion) operiert häufig mit gängigen, ortsbezogenen Landkarten, auf denen sie Ressourcen,economic-freedom-2006.jpg Produktionsstrukturen und Verteilmedien vermerkt. Die visuellen Beschreibungen der Transportindustrie und des Cyberkapitals fokussieren auf Netzwerke und den Fluß der profitablen Objekte in ihnen, ob es nun um Migranten oder um Megabits geht. Die weitläufigen Industrien der Soft Power schließlich zeichnen auch die Verteilungsmuster ideologischer Güter und ideeller Waren. Alle Getränkegemeinsam verfolgen in vielfältigster Weise die räumliche Verteilung ihrer Produkte und ihren Verbrauch – ein Exempel unter Tausenden ist die schicke Karte „Generic Names for Soft Drinks by County“.

Alle nutzen Mapping als Marketing. Ihr Verfolg der sozialen Welten des Konsums geht über in die Sozialkartierungen, die zu einem Betätigungsfeld der soziokulturellen Machtapparate geworden sind. Hier geht es um die visuellen Kulturen der sozialen Integration und Gefolgschaften, der Differenz, Diversität oder Multikulturalität, der „natürlichen“ Extreme der Ungleichheit und der neoliberalen Illusionsideologien der kommenden oder schon vorhandenen Gleichheit. Dieses breite Milieu der Zivilgesellschaft ist differenziert, seine Kulturen sind unübersichtlich und mit zahllosen Interessen und Akteuren verknüpft. Hier tummeln sich google earth-Spieler, Sozialnavigationsexperten, Symbolfachleute – und ein paar Millionen Mapper mehr.

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