Krise, FAZ und sinnliche Höhepunkte

Noch gibt das Großthema Krise eine Menge Zeilen her. Das letzte Beispiel ist die FAZ, die sich just gleich mehrseitig den zahllosen schaurig-wohligen Expeditionen des deutschbürgerlichen Feuilletons in die Welt der Katstrophe hingibt. Natürlich geht es um die  apokalypische Variante der Katastrophe, also die finale Krise. Den dazu gehörigen Orgasmus liefert  die Technik und Motor -Seite („Gesicht und Hüfte: Das Audi S5 Cabriolet wächst aus dem Kühlergrill heraus, steigert sich in den Flankenschwung und kommt vor der Hinterachse zum sinnlichen Höhepunkt“).  Der Tenor: Apokalypse macht Spaß. Dann die Abteilung Kritik (Nils Minkmar): niemand übernimmt Verantwortung und tut endlich was. Ein Beispiel aus dem eigenen Haus folgt auf dem Fuße: Rainer Hankes Beitrag („Weiße Weste“), der – wie allgemein bekannt – einer der beinhartesten neoliberalen Wirtschaftsschreiber des Blattes war und nun erklärt, das auch die FAZ sich mehr als wacker bei der Krisenerklärung geschlagen habe. Wo er scheinheilig die Schranken und Schwächen der Wirtschaftsjournalisten bejammert, spricht er vom „wir“. Ein Satz wie: „Auch ich habe über Jahrzehnte hin in ein paar Hundert Artikeln in der FAZ die Mythen des Marktradikalismus verbreitet und nehme die Verantwortung dafür auf mich.Dabei geht es im Einzelnen um folgende fehlgehende, falsche oder beschönigende Beiträge und Behauptungen, die der geneigte Leser unter den 223 Suchergebnissen im FAZ.Net vorfinden kann:…Ich höre auf, zu schreiben“ – ja, der fehlt irgendwie.  Statt dessen erkärt er: nicht einmal die klügsten Marktverächter hätten damit gerechnet. Es gibt aber eine ganze Menge Wissenschaftler, die genau dieses Potential der US-Immobilienkrise diagnostiziert und vorausgesagt haben. Vor zwei Jahren etwa trug Richard Wolff auf dem New Yorker Left Forum  2006 genau diese Einschätzung vor. Aber Hanke macht genau dasselbe wie das ökonomische und politische Spitzenpersonal des neoliberalen Regimes der letzten Jahrzehnte – nämlich einfach weiter, ungestört. Übrigens rattert dann noch Claudius Seidl ein Paar Dutzend Stichworte über den Untergang im Kino herunter. Ihm engeht dabei komplett die Differenz dystopischer und apokalyptischer Konzepte im Gegenwartskino, der Kunkel in der jüngsten Ausgabe von Dissent nachgegangen ist und die mit der anschwellenden autoritären politischen Lösung der „Endkrise“ zu tun hat, von der die FAZ-Herren mit keinem Wort sprechen.

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