In der FAS v.15.3.2009 schreibt auf S. 34 Henning Ritter zu „Freiheit der Andersdenkenden“. Nach einem kurzen Schlenker zu Voltaire wird Rosa Luxemburgs bekannter Satz zum eigentlichen Thema und es ist durchaus interessant, wie Ritter manöveriert. Er zitiert fragmentarisch Rosa Luxemburg aus ihrer kritischen Würdigung der russischen Revolution
„Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für Mitglieder einer Partei – mögen sie noch so zahlreich sein – ist keine Freiheit. Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden. Nicht wegen des Fanatismus der »Gerechtigkeit«, sondern weil all das Belebende, Heilsame und Reinigende der politischen Freiheit an diesem Wesen hängt und seine Wirkung versagt, wenn die »Freiheit« zum Privilegium wird.“(Die russische Revolution. Eine kritische Würdigung, Berlin 1920 S. 109; Rosa Luxemburg – Gesammelte Werke Band 4, S. 359, Anmerkung 3 Dietz Verlag Berlin (Ost), 1983).
Ritters Manöver geht nur zwei Schritte.
RL rede „immer von einer ausschließenden Freiheit„. Den Andersdenkenden werde „eine ungeteilte Freiheit“ zugesprochen. Ritter: „Freiheit ist nur und ausschließlich die Freiheit des Andersdenkenden.“ Freiheit werde für die Andersdenkenden „reserviert„. Das setzt freilich voraus, im ersten Satz das Wort „nur“ zu ignorieren – durch welches deutlich gemacht wird, dass die Anhängerschaft der Macht kein Ausschließungsgrund von der Inanspruchnahme von Freiheit ist. Freiheit, die zum Privileg wird, verliert ihre Qualität. Sie kann sie nur als Verhältnis behalten – erst in diesem kommt für RL ein radikales Freiheitsverständnis zu sich selbst.
Im Anschluß an Schramm behauptet R. dann, es handele sich bei dieser Behauptung ohnehin um eine „Kunstfigur…um die Radikalität der eigenen Überzeugungstäterschaft zu tarnen. Wer scheinbar großherzig für die Überzeugungen der Andersdenkenden eintrete, tue dies wohl meist, um die Ausschließlichkeit des eigenen Wahrheitsanspruchs zu verschleiern, den man in die Tat umzusetzen entschlossen sei.“ R. bleibt hier freilich jeden Beleg dafür schuldig, dass es hier RL um ein Verschleierungsmanöver ging. Für R. ist RL radikal, was an der Ausschließlichkeit des eigenen Wahrheitsanspruchs erkennbar sei, sie beanspruche ein exklusives Freiheitsmonopol: Freiheit für Luxemburg, Unfreiheit für Ritter und andere. So wird der Sinn des Fehlens des Wortes „nur“ deutlich: die freie Assoziation von Täterschaft, Ideologie, Revolution, Radikalität, Totalitarismus usw….ist jetzt möglich, ohne dass diese Begriffe auftauchen müssen.
Die Verhandelbarkeit von Überzeugungen, wie sie „in einer Gesellschaft wie der unseren…für ein hohes Gut“ gehalten wird, ist für R. ein Problem. Die Gesellschaft könne, so sein Resümee solche Überzeugungstäterschaft „nicht wollen„, die auf Distanz und Bruch mit dem Mehrheitskonsens baue. Er hätte es gerne ohne die Andersdenkenden.
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