Piketty Zeit: r > g

PikettyOffenbar ist die Osterzeit in diesem Jahr Piketty-Zeit und Ostern dauert dieses Jahr länger als üblich. Bei Amazon war das Buch „CAPITAL in the Twenty-First Century“ aktuell ausverkauft. CNN vermerkte zu einem 5-Minuten Auftritt von Piketty:

Publisher Harvard University Press says it’s already sold 41,000 copies of „Capital,“ and is rushing to get another 25,000 print versions to book stores and Amazon as soon as possible. The book is the publisher’s first best seller, and is poised to sell more copies in one year than any book in its 101-year history. {Zum ersten Mai vermeldete der Herausgeber 100 000 verkaufte Exemplare und der Band hüpfte in einer Woche (bis zum 27.4.) von Platz 37 auf Platz 7 der US-Bestseller-Sachbuchliste}.

Auf der Website des Autors Thomas Piketty sind erfreulichereise die Grafiken und Tabellen sowie Zusammenfassungen als pdf. zugänglich. Eine Kurzfassung im Harvard Business Review. Kapitelweise ( & registriert) im Economist (s.a. den Beitrag mit dem schönen Titel „All men are created unequal„). Viel leichtfüßiger der Einstieg in The Week‘s Beitrag „How Disney’s The Aristocats explains our bleak plutocratic future“, basierend auf einem Disney-Film über die ultra-rich. Warren Buffett ließ laut der „Bunten“ wissen, er habe „ungefähr sechs Rezensionen“, nicht aber das Buch gelesen und Carl Icahn, Hedgefond Milliardär, kommentierte dem Business Insider: „I think it’s very good, very well thought out…. And I agree that there are storm clouds ahead“.Chriystia Freeland („Die Superreichen: Aufstieg und Herrschaft einer neuen globalen Geldelite“) empfiehlt in der Rubrik „THE BIG IDEA“ des Politico Magazine:  „The Book Every Plutocrat should Read“ und Thomas Steinfeld hat in seiner übersichtlichen Besprechung von Piketty’s Buch in der SZ vom 22.4.2014 S.11 seine Marx-Abkanzlung kritisiert, die zeige: „Ihm geht es um das Kapital, nicht um den Kapitalismus“ (ähnlich die New York Times vom 19.4.14). Das klingt eingängig, erspart Steinfeld aber eine Auseinandersetzung mit Piketty’s Kapitalbegriff. Dennoch ist seine Skizze des Buches vergleichsweise gründlich. Bemerkenswert, welches Aufsehen das Buch des Rockstars (auch hier, hier und hier und und hier und auch noch hier und auch Sydney  oder in Toronto) erreicht – Piketty hat seine Analyse seit langem ausgebreitet, u.a. in einer Serie von Vorträgen und Vorlesungen, die frei zugänglich sind (Datenquellen dazu auch in The World Top Incomes Database), auch der technische Appendix zu dem Buch ist zugänglich, er enthält zahlreiche Verweise auf Beiträge des Autors, die frei zugänglich sind. Eine aktuelle Zusammenfassung insbesondere der Daten aus seinem Buch hat Piketty hier gegeben (April 2014). Und es gibt auch eine Executive-Summary-Version bei Amazon :-), die in der Auflagenschätzung der New Republic vom 26.4. von absehbar über 200000 in einigen Monaten nicht berücksichtigt wird (dazu auch hier und hier).

Lesenswert sind neben einem weiteren SZ-Beitrag Yglesias (auch hier von ihm ein Interview mit Piketty und hier und dazu einige Charts), der begeisterte und nochmals auch im Nachhinein begeisterte und dazu noch sich an Pareto erinnernde Krugman und (zur Einschätzung überschwänglich begeistert Edward Lambert), Shuchman im Wall Street Journal, Martin Wolf in der Financial Times (dort auch Lawrence Summers),  Dean Baker, Samuelson, Harold Meyerson in der Washington Post, der das Buch mit Keynes „General Theory“ vergleicht. Ein Interview mit Piketty in den Foreign Affairs. Piketty in der UC Berkeley. Großer Auftritt auch in der NYT (neben Krugman und Brroks auch Douthat hier und hier und überhaupt hier und da und überall) und sogar die korrekte Aussprache von  „Tome-AH PEEK-et-ee“, und wie man auf cool über Piketty reden kann, ein Interview mit diesem in Quartz, ein Verriss in der NZZ, im Business Insider und bei Bloomberg und Forbes und kein Verriss (zunächst) in Forbes  (und hier, weiter auch hier und hier und da) und in einem Economist-Blog (der Verriss ist für eine Titelgeschichte reserviert und die diversen weiteren Beiträge nur für Subskribenten). Und eine Kritik in Forbes mit Bezug auf Saez, natürlich nicht von Tim Noah („The stinking Rich„) oder von Jeff Faux in der Nation (dort auch Shenk) oder in BillMoyers oder in Inequality.org. oder auf Foreign Policy  und im New Statesman sowie im Salon, auch hier und noch mehrfach. Ebensowenig von Wapshott, der LAT, dem Guardian, der Times Higher Education. Verriss natürlich aus Hoover  und dem AEI und Heritage und der National Review und den Foreign Affairs, oder vom Independent oder dem  Federalist, (der auch hier: „the old-school class-warfare terminology“)  auch etwas von Kathleen Geier im Washington Monthly (aber auch  im Baffler oder in der Nation), von Matt Nolan oder von Shulman. Im Chicago-Magazine. Erst recht im Neocon-Blatt Telegraph, oder hier. Kritik übrigens auch in thruthout (wie auch hier), truthdig und Mother Jones, auch von Fortune (dort auch hier) und dem WSJ (dort auch hier). Im Social Europe Journal das Piketty-Plädoyer für eine weltweite Vermögenssteuer, was Steinfeld oder der Guardian natürlich für illusionär halten. In der Huffpost (auch hier und hier) und Bloomberg und MSNBC (sowie mit Chris Hayes auch hier und hier im CEPR) noch Videointerviews und -debatten – vor allem in der Cuny mit Stieglitz, Krugman und Durlauf (auch via Nation) – seine Versicherung, politisch ungebunden zu sein (not affiliated) und zu guter letzt Daily Beast mit einem Verriss, einem Verrissveriss durch den Übersetzer des Buches und Wahltipps à la Daily Beast. Sinnvoller zur Demokratie: Ungleichheitsfrage die Washington Post. Ein Audio hier; und auf BBC.

Jenseits des Marketingfandoms: Vor allem schon 2013 Branko Milanovic von der Weltbank, Emily Eakin im Chronicle of Higher Education mit dem schönen Titel „Capital Man„, Thomas Edsall in der NYT, John Cassidy im New Yorker, von Brad DeLong (dieser auch hier und  hier) weiter ein Blog Review im durchaus nicht links einzuordnenen Bruegel-Blog von David C. Saha, kritisch und wichtig James K. Galbraith in Dissent (zusammengefasst mit Debatte in nakedcapitalism, auch hier im Interview) sowie Thomas Palley im Social Europe Journal bzw. seinem BlogDiem Meier und Dittli; Geoff Davies; Michael Robert (und hier und hier); Charles Andrews; Radford; Johnston; Weisbrot; Decker; Gans; Jones; Sean McElwee; Paul Mason im Guardian; Robert Kuttner im American Prospect; Michael Hudson; weiter mehrfach zu seinem Kapitalbegriff; mit drei Beiträgen dann Hacker/Pierson, Boushey und Milanovic im American ProspectDoug Henwood im Bookforum (der zu Recht, aber pauschal die ansonsten kaum debattierte politische Position des Autors und seine politische Konzepte angeht; Krugman ist hier eine Ausnahme). Chris Bertram; Weiter nochmals in der New Republic Solow. Und den Counterpunch nicht zu vergessen oder den Socialist Worker. :-).

Bemerkenswert, wie dürftig die Rezeption hierzulande ist gemessen an der sensiblen Debatte in der (links-)liberalen Mittelklassenöffentlichkeit in den USA. Zu nennen ist da eigentlich fast nur der genannte Beitrag von Steinfeld (und ein Interview mit Piketty in der SZ) und ein früher Text im Wirtschaftsblog der FAZ (Braunfelder). Braunfelder ist auch deshalb eine Ausnahme, weil der die Analysen des Duos Saez / Picketty zur Kenntnis nimmt, die für die 1 %-Debatte in den USA faktisch wesentliche, substantielle Vorarbeit geleistet haben. Neu und passend zu „Capital“ das Paper von Saez / Zucman über „The Distribution of US Wealth, Capital Income and Returns since 1913„. Details zu den „United States of Inequality“ auch hier und hier, zu den rich und zu den 1 % dort.  Die FAS vom 27.4., S.32, ignoriert Piketty und Saez und steigt auf ein Profil von Anthony Atkinson um. In der Zeit findet sich nun eine eher anspruchslose Besprechung, früher schon im Cicero, die üblichen Verdächtigen – FR, ND oder Junge Welt – fallen aus. Aber das kann ja noch kommen…

Und, als Nachtrag vom 27.4.ff. zum 23.4. –  und so geschah es auch. Jetzt hat es auch SPON bemerkt, dass man mit einem Piketty-Aufhänger Kasse machen kann – schließlich brachte es dieser Name in den letzten sieben Tagen in der New York Times auf 10 500 Nennungen; der Stern ist dabei, auch das Manager-Magazin (auch hier etwas substantieller), an Forbes angehängt hat sich der ORF, die Welt lieferte eine schiere Begeisterung, der Freitag eine Übersetzung aus dem Guardian und der Tagesspiegel  oder die Wirtschaftswoche legen nach. Nichts davon – bis auf den Guardian-Beitrag – lohnt. Näheres über die Produktion eines globalen Namens steht in der NYT oder hier, bei seinem Herausgeber und bei Sam Tanenhaus bzw. Corey Robin. Oder bei Piketty oder in der Financial Times („Piketty Bubble„), dem Economist („Fever„) und der Times of India.

 

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