Krise der Privatisierung – Rückkehr des Öffentlichen?

Das Fragezeichen fehlt im Titel des neuen Bandes, der eben bei Dietz Berlin erschienen ist: Mario Candeias, Rainer Rilling, Katharina Weise (Hrsg.): Krise der Privatisierung. Rückkehr des Öffentlichen. Reihe: Texte der Rosa-Luxemburg-Stiftung; Bd. 53, 192 Seiten, Broschur ISBN: 978-3-320-02182-5, 12.90 €. Der Grund ist einfach: der Arbeitszusammenhang, aus dem dieser Band entstand (nämlich das ppg-netzwerk) hatte schon 2007/8 begonnen, eine Krise der Privatisierung als einer der zentralen Instrumentarien des Neoliberalismus zu diagnostizieren und sich darum bemüht, jenseits der nur auf den ersten Blick simplen Rede von der Verstaatlichung nicht nur die traditionellen Voten der Linken stark zu machen (dass es um eine demokratische Form und Struktur der Verstaatlichung gehe und es letztlich um Vergesellschaftung, also um ein System der Aneignung gehe), sondern auch das von der Linken völlig unterbelichtete Thema des Öffentlichen aufgeworfen und zum Thema gemacht. Zugleich setzten wir einen Schwerpunkt auf die Frage der Rekommunalisierung nicht nur in Lateinamerika, sondern auch in Europa und in der BRD. In ersten Ansätzen arbeitet dieser Band auch die im August/September 2008 dann offen aufgebrochene tiefe Krise des Neoliberalismus unter diesen Aspekten auf – zum Glück also kein Fall einer beim Markteintritt komplett nutzlosen Publikation!

Der Band zeigt historisch, dass die anfängliche Fokussierung auf das sicherlich zentrale Moment der Finanzialisierung zu kurz greift und die allmähliche Ausbildung anderer Krisenelemente (wie die der Politik der Privatisierung) ignorierte, die sich in einer Profit- und Effizienzkrise dieser Politik deutlich zeigte – diese führte letztlich ja in einer immer größeren Zahl von Fällen  zu Rekommunalisierungen und Wiederverstaatlichungen. Zugleich aber versucht der Band jenseits der Verstaatlichungsrethorik einen breiten Ansatz des Öffentlichen als komplexem genuin linken Zugang zur Eigentumsfrage zu entwickeln (Beiträge von  Klein, Demirovic und Rilling). Die seit Anfang 2009 immer häufiger aufkommende Frage, ob die evidente Sozialisierung der Verluste der Banken nicht im Kern auf eine neue Qualität einer neoliberalen Privatisierungspolitik hinausläuft, ist noch keine Thema in dem Band. Auch wenn die neuere Debatte stark in diese Richtung geht, macht es m.E. wenig Sinn, die Differenz zwischen Staat und Privat hier gleichsam zu beseitigen nach dem Motto, dass unter dem Blick der Kapitalakkumulation es nicht darauf ankömmt, mit welcher Eigentumsform wir es zu tun haben.

Und apropos Eigentum: es versteht sich, dass der Band vollständig als .pdf im Netz zur Verfügung gestellt wurde.

Zum Inhalt im Detail:

Mario Candeias, Rainer Rilling, Katharina Weise: Vorbemerkung

Mario Candeias: Krise der Privatisierung

Lutz Brangsch, Sabine Nuss: Mach mit, mach’s nach, mach’s effizienter. In der Privatisierungskrise – wie in der Wirtschaftskrise – kommt der Staat zu sich selbst

Werner Raza: Privatisierungseffekte in der EU

Emanuele Lobina, David Hall: Wasserprivatisierung und Umstrukturierung in Lateinamerika

David Hachfeld: Rekommunalisierung – Lehren aus Potsdam und Grenoble

Erik Swyngedouw: Städtische Wasserflüsse und Kapitalakkumulation. Die Widersprüche der Urbanisierung des Wassers unter dem Neoliberalismus

Birgit Mahnkopf, Christoph Herrmann: Vergangenheit und Zukunft des Europäischen Sozialmodells

Alex Demirovic: Hegemonie und das Paradox von Privat und Öffentlich

Dieter Klein: Das Öffentliche – verstrickt in die Verknüpfung von Großkrisen

Rainer Rilling: Plädoyer für das Öffentliche.

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